Eine Gruppe von Ärzten hat sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben – und hilft damit auch den Patienten.

Stuttgart - Es ist bis jetzt nur ein kleines Häufchen von Ärzten, das sich im Jahr 2006 bei einem Kongress in Bielefeld zusammengetan hat, um gegen die alltägliche Korruption und unsachgemäße Beeinflussungen durch die Pharmaindustrie vorzugehen. „Mein Essen zahl’ ich selbst“ (MEZIS) heißt die Initiative nach einem Vorbild in den USA. Der Verein hat sich laut Satzung zur Aufgabe gemacht, „die wissenschaftliche und unabhängige Fort- und Weiterbildung von Ärzten und anderer Heilberufe auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapie und evidenzbasierten Medizin zu verbessern, Schaden für Patienten durch unzweckmäßige Arzneiverordnungen abzuwenden und die derzeit vorhandene intransparente und irreführende Beeinflussung des Verordnungsverhaltens offenzulegen und zurückzudrängen“.

 

Doch obwohl der Verein gerade mal rund 350 Mitglieder zählt, darf er sich nicht nur als Erfolg auf die Fahnen schreiben, den Kampf gegen Korruption im Gesundheitswesen zum öffentlichen Thema gemacht zu haben. Klaus Lieb, einer der damaligen Gründungsmitglieder und heute Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin in Mainz, wurde Ende November vom Deutschen Hochschulverband zum „Hochschullehrer des Jahres“ gewählt. Er sei „ein Vorkämpfer für integre Wissenschaft“, heißt es in der Laudatio, der „die Unabhängigkeit von Forschung durch größtmögliche Transparenz und Regeln im Umgang mit Interessenkonflikten sicherstellen“ will.

Geschenke der Pharmaindustrie sind ärztlicher Alltag

„Wir sind nicht der Feind der Pharmaindustrie“, stellt Lieb gegenüber der StZ klar, „aber wir akzeptieren keine Zuwendungen, sondern kooperieren mit ihr nur auf wissenschaftlichem Gebiet.“ Das ist kein ganz einfaches Unterfangen, denn „Geschenke der Pharmaindustrie sind ärztlicher Alltag, sie reichen vom Büromaterial bis zu Kongresseinladungen“, sagt Lieb, der für eine Studie im Jahr 2007 eine Umfrage unter Ärzten gemacht hat. Dabei kam heraus: „Nur vier bis fünf Prozent der Ärzte nehmen nach eigenem Bekunden keine Geschenke an.“ 43 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte beteiligen sich demnach an sogenannten Anwendungsbeobachtungen, bei denen die Mediziner mehr oder weniger sinnvolle Fragebögen zu Medikamenten ausfüllen müssen und dafür Geld kassieren. Trotz dieser materiellen Abhängigkeit behaupteten die Ärzte gleichwohl, sie fühlten sich unabhängig.

Kostenlose Medikamente sollen Patienten „anfixen“

Die Initiative macht sich deshalb nicht nur gegen solche verdeckten Zuwendungen stark, sondern fordert auch, dass Kliniken keine kostenlosen Medikamente mehr verabreichen. Diese haben vor allem den Sinn, Patienten „anzufixen“, wie es im Jargon heißt, damit sie dann beim niedergelassenen Arzt in der fortführenden Behandlung nachgefragt und verschrieben werden. „In meiner Klinik ist mit dieser Praxis aufgeräumt worden. Auch in Tübingen und Freiburg gibt es ähnliche Selbstverpflichtungen in den Psychiatrischen Kliniken“, sagt Lieb. Und für die niedergelassenen Ärzte, die sich dem Kampf gegen die Korruption anschließen, hält der Verein Plakate und Flyer vor, mit dem die Patienten darüber informiert werden können. „Es geht uns um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und darum, dass der Patient sicher sein kann, dass es dabei keine Sekundärinteressen gibt“, beschreibt Lieb die Arbeit des Vereins. Die kann sich freilich nicht allein auf die Ärzte beschränken: Die Pharmaindustrie hat ihre Finger auch in allerlei Selbsthilfeorganisationen; auch dort kann man Nachfrage organisieren. MEZIS wertet auch solche Informationen aus und informiert auf ihrer Homepage interessierte Patienten.