Der Gesundheitsminister Daniel Bahr prüft strengere Regeln gegen Korruption unter Medizinern. Ein Urteil des Bundesgerichtshof geht vielen Politikern und Kassen nicht weit genug. Der Ruf nach einer gesetzlichen Neuregelung wird lauter.

Berlin - Wie sollen Bestechung und Bestechlichkeit von niedergelassenen Kassenärzten geahndet werden? Während der Spitzenverband der Krankenkassen dafür Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vorschlägt, will der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) vorerst abwarten. Derzeit, so eine Sprecherin des Ministeriums, würden die Berichte ausgewertet, in denen Kassen, Länder und die Körperschaften der Ärzte darlegten, wie die bestehenden Instrumente gegen Korruption im Gesundheitswesen wirken.

 

An diesen Instrumenten herrscht kein Mangel. So gibt es im Sozialrecht wie im ärztlichen Berufsrecht Bestimmungen, die es verbieten, dass ein Arzt Geld oder Geschenke annimmt, um zum Beispiel seinen Patienten die Medikamente einer bestimmten Pharmafirma zu verordnen. Und sowohl die Bundesärztekammer (BÄK) wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung betonen immer wieder, dass diese Regeln ausreichend seien.

Die Kassen bezweifeln, dass die Kontrolle gut funktioniert

Der BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery meint auch, dass die Fälle von Bestechlichkeit aufgebauscht würden: „Ich sage Ihnen, es gibt hier viel, viel weniger, als immer wieder behauptet wird.“ Und dort, wo es Bestechlichkeit gebe und sie bekannt werde, „wird sie verfolgt und bestraft“. Auch widerstünden die meisten Ärzte unlauteren Angeboten beispielsweise seitens der Pharmaindustrie: „99 Prozent aller Ärzte werfen diese Angebote sofort und unter Rausschmiss des Pharmavertreters aus der Praxis.“

Ob die Kontrolle und die Bestrafung von Fehlverhalten gut funktionieren – ob es also, wie Montgomery sagt, verfolgt und bestraft wird –, ist allerdings höchst umstritten. So beklagen die Krankenkassen, dass die „bestehenden sozialgesetzlichen oder berufsrechtlichen Verbote korruptives Verhalten im Gesundheitswesen ganz offensichtlich nicht wirksam verhindern und bekämpfen“. Was die Kontrolle durch die Landesärztekammern anbelangt, ergibt sich jedenfalls kein Bild, das von entschlossenem Handeln zeugt. Auf eine Medienanfrage, wie häufig sie in den vergangenen fünf Jahren Bußgelder gegen korrupte Mediziner verhängt hatten, antworteten nur vier der 17 deutschen Kammern.

Nur Staatsanwälte können Unterlagen beschlagnahmen

Während Thüringen und Sachsen erklärten, dass die dortigen Berufsgerichte keine Strafzahlungen aussprachen, nennt Hessen 34 solcher Fälle. Und die baden-württembergische Landesärztekammer teilt mit, dass es in den vergangenen Jahren insgesamt 46 Verfahren wegen Verstößen gegen das Zuwendungsverbot der ärztlichen Berufsordnung (Ärzte dürfen kein Geld dafür annehmen, um ein bestimmtes Medikament zu verordnen oder einen Kranken in eine bestimmte Klinik einzuweisen) gab, die mit Geldstrafen zwischen 500 und 30 000 Euro belegt wurden.

Da niemand weiß, wie häufig Korruption vorkommt, kann auch niemand mit Bestimmtheit sagen, wie diese Zahlen zu bewerten sind – ob also die Kammern das Berufsrecht tatkräftig durchsetzen oder nicht. Fest steht allerdings, dass weder Kassen noch Ärztekammern die Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaften haben. Sie können keine Unterlagen beschlagnahmen oder Haus- oder Praxisdurchsuchungen vornehmen.

Niedergelassene Kassenärzte können nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden

Aus Sicht der SPD sollte sich das ändern. Die Sozialdemokraten fordern, dass die Korruption von niedergelassenen Ärzten im Strafgesetzbuch geahndet werden soll. Das ist sie bis jetzt nicht, woraus sich die kuriose Rechtslage ergibt, dass ein angestellter Krankenhausarzt wegen Bestechlichkeit belangt werden kann, nicht aber der niedergelassene Kassenarzt.

Im Sommer 2012 hatte der Bundesgerichtshof in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass bestehende Normen im Strafgesetzbuch gegen Bestechlichkeit nicht auf die freiberuflich tätigen Kassenärzte angewendet werden können. Daraus folgt aber nicht, dass die Richter Untätigkeit empfehlen. Ganz im Gegenteil verbanden sie ihre Entscheidung doch mit einem Fingerzeig nach Berlin. Der Gesetzgeber habe zu entscheiden, „ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll“.

Die CDU fordert eine neue Strafnorm

Während Bahr noch prüft, wie eine effektive Ahndung aussehen kann, und betont, dass die Freiberuflichkeit wie die Therapiefreiheit des Arztes keinesfalls infrage gestellt werden dürfen, stellt der CDU-Abgeordnete Jens Spahn schon eine Drohung in den Raum: „Entweder beginnt die ärztliche Selbstverwaltung endlich eigenständig, die Dinge klar beim Namen zu nennen und aktiv zu bekämpfen, oder wir müssen eine Strafnorm schaffen, damit der Staatsanwalt aktiv wird.“ Er wolle die Ärzte nicht unter Generalverdacht stellen, sagt Spahn. Aber niemand bestreite, dass es „tausendfach direkt oder indirekt Zahlungen oder Geschenke etwa von Laboren oder Pharmafirmen an Ärzte gibt.“