Im Korruptionsprozess liest der Richter den Ermittlern und dem Schavan-Ministerium die Leviten. Die angeklagten Karlsruher Atommanager erhielten einen glatten Freispruch vom Korruptionsverdacht.
Karlsruhe - Alle drei angeklagten ehemaligen Atommanager am Forschungszentrum Karlsruhe sind am Freitag vom Landgericht Karlsruhe freigesprochen worden. Bei dem Anfang November gestarteten Prozess standen zahlreiche Mutmaßungen im Raum, für keinen der Vorwürfe habe es jedoch habhafte Beweise gegeben, heißt es im Urteil. Dem Vorsitzenden Richter der Strafkammer, Udo Scholl, war es offenbar ein Anliegen den insgesamt fünf Angeklagten Genugtuung zu verschaffen. In scharfen Worten las er Ermittlern und Ministerialen die Leviten.
Schon am zweiten Verhandlungstag hatte Scholl das Papier, auf das ungewöhnlich umfangreiche Ermittlungen zurückgingen, gegeißelt. Jene anonyme Anzeige, die Anfang 2007 per Fax ins Büro der damaligen Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) flatterte, und die der Richter jetzt im Urteil „als Pamphlet“ bezeichnete. In seltener Maßlosigkeit sei dort ohne jeden Beweis behauptet worden, dem Staat „seien mehrere hunderttausend Euro Schaden entstanden“.
Richter rügt „Druck von oben“
Es gehöre nicht zum Aufgabenbereich eines Bundesministeriums, sagte Scholl, den Strafverfolgungsbehörden „Anregungen“ zu geben. Doch gerade dieser „Druck von ganz oben“ hatte offenbar das besondere Vorgehen begründet. Der Richter sprach sogar von möglichem Machtmissbrauch, denn „als man keine Beweise finden konnte“, habe man bar jeder Rechtsstaatlichkeit 74 Beschlüsse für Durchsuchungen und das Abhören von Telefonaten durchgesetzt. Ihm sei Angst geworden beim Studium der Akten, sagte der Richter, der die rechtliche Zulässigkeit der Abhörung in Frage stellte. Einem Vertreter des Landeskriminalamts beschied er, „suggestive Verhörmethoden“ angewendet zu haben.
Die insgesamt fünf Angeklagten im Alter zwischen 52 und 69 Jahren, denen die Staatsanwaltschaft bereits im Jahre 2011 die mutmaßlichen Vorwürfe dargelegt hatte, wurden folglich alle freigesprochen. Ein Sprecher des Landgerichts bestätigte nach dem Urteil, es handele sich „um Freisprüche erster Klasse“. Keiner der im Raum stehenden Vorwürfe habe sich belegen lassen. Angeblich hätten drei ehemalige Führungskräfte des früheren Forschungszentrums – diese je wegen Vorteilsannahme – und zwei Repräsentanten einer in Pforzheim niedergelassenen internationalen Entsorgungsfirma wegen Vorteilsgewährung, strafrechtlich relevant gehandelt.
Ominöse Zahlungen machten misstrauisch
Mehrere Geldtransfers, darunter zwei ominöse Zahlungen auf ein Tiroler Bankkonto, hatten bei den Vernehmungen einen zweifelhaften Eindruck hinterlassen: dies sei in dem konkreten Fall jedoch „allenfalls steuerrechtlich relevant gewesen“, sagte der Richter. Ein großzügiger Kredit in Höhe von insgesamt 150 000 Euro, den einer der Ex-Manager 2004 von einem der Entsorgungsunternehmer erhielt, wurde „dem privaten Bereich“ zugeordnet. Die davon Betroffenen wurden in einem vorgezogenen Urteil am Mittwoch freigesprochen worden. Zudem sei ein 2006 abgeschlossener Beratervertrag auch nur „arbeitsrechtlich relevant“. Auch die beiden Repräsentanten des schwedischen Atomkonzerns waren freigesprochen worden.
Richter Scholl ordnete zudem an, dass die fünf Angeklagten für die „ungerechtfertigten Durchsuchungsaktionen“ von Büros und privaten Wohnungen entschädigt werden müssen. Ihm, so ließ er wissen, sei es zudem von Anfang an wichtig gewesen, dass sich die Angeklagten in öffentlicher Verhandlung Genugtuung verschaffen könnten. Auch habe er sich, so hörte man ihn beim Urteilsspruch klagen, „durch rund 11 000 Seiten Akten durchkämpfen müssen“. Da hätte ein „schmaler Band“ gereicht, sagte er. „Wir wollen hier nicht wulffen“, ließ bei einem der Plädoyers zuvor einer der Anwälte wissen. Vier Personen hätte die Anklage bei der Staatsanwaltschaft gebunden, sagte er zum Vorgehen der Ermittlungsbehörden.
KIT will auf Beteiligten zugehen
Nach dem Freispruch für die Manager will das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) offenbar zunächst auf einen der Beteiligten zugehen. „Eine Klage auf Wiedereinstellung wird das KIT nicht abwarten, das weitere Vorgehen werde bilateral geklärt“, sagte eine Sprecherin des Instituts am Freitag auf Anfrage.
Es geht dabei um einen bereits im vorgezogenen Urteilsspruch am Mittwoch freigesprochenen 52-jährigen ehemaligen Projektleiter. Dieser war, wie die anderen Beteiligten, im Herbst des Jahres 2011 entlassen worden. Im Januar 2009 waren sein Büro und seine Wohnung durchsucht worden, er war auch zeitweilig beurlaubt gewesen. Nach eigenen Angaben vor Gericht im November hatte der ehemalige Projektleiter nach Arbeitslosigkeit zeitweilig von Hartz IV gelebt. Am Mittwoch hatte er gleichzeitig angekündigt, eine Klage auf Wiedereinstellung vorbereiten zu wollen.
„Es waren sechs schwere Jahre“
Das KIT teilte in einer Stellungnahme am Freitag mit, das Arbeitsverhältnis mit ihm sei im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anklageerhebung beendet und dies im übrigen durch das Landesarbeitsgericht bestätigt worden. Für einen weiteren der jetzt Freigesprochenen kommt ein neuerliches Entgegenkommen des KIT, wie es jetzt von der Sprecherin angedeutet wurde, freilich inzwischen zu spät. Der 64-jährige ehemalige Abteilungsleiter ging, nachdem er ein Jahr lang Arbeitslosengeld bezogen hatte, im Februar dieses Jahres in Rente. Auch er zeigte sich am Freitag vor Gericht erleichtert: „Es waren sechs schwere Jahre“, ließ er am Rande des Prozesses wissen. Auch bei ihm hatte das Landeskriminalamt 2008 Durchsuchungen angeordnet.