Der frühere Bundespräsident Christian Wulff findet Fragen des Landgerichts Hannover kafkaesk. Der Vorwurf der Vorteilsnahme wird durch die Zeugen nicht bestätigt.

Hannover - Die wohl wichtigste Antwort an diesem Tag in Saal 127 des Landgerichts Hannover fällt kurz vor der Mittagspause. „Nein“, sagt Anton M., der 48-jährige Empfangsdirektor des Bayerischen Hofs in München. Nein, Christian Wulff müsse nicht erfahren haben, dass David Groenewold für einen Teil seiner Hotelrechnung aufgekommen ist. Wulffs Verteidiger, Bernd Müssig, nickt zufrieden.

 

Am Donnerstag hat das Gericht die ersten vier Zeugen im Korruptionsprozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff gehört. Mitarbeiter des Bayerischen Hofs gewähren einen Blick hinter die Kulisse eines Fünf-Sterne-Hotels, konkrete Erinnerungen an den damaligen Ministerpräsidenten Niedersachsens und dem Filmfinanzier Groenewold im September 2008 aber fehlen ihnen.

Detailliert schildern die Zeugen die Buchungs- und Bezahlabläufe. Immer wieder fragen Richter und Oberstaatsanwalt nach: Was, wenn ein Rechnungsbetrag aufgeteilt wird, also ein Gast für einen anderen zahlt? Was steht dann auf der Rechnung? Konkret geht es um die Frage: Wusste Wulff, anders als er vor Gericht angegeben hat, dass Groenewold seine Zimmerkosten zum Teil übernommen hat?

Ein besseres Zimmer für wichtige Gäste ist üblich

Die Zeugen sind sich einig: Eine Kostenteilung geht aus einer Rechnung nicht hervor. Wulff ist anhand seiner Hotelrechnung also nicht nachzuweisen, dass er von Groenewolds Zahlung Kenntnis hatte oder haben konnte. Es sei auch durchaus üblich, wichtigen Gästen ein besseres Zimmer anzubieten, als sie gebucht hätten, sagt der junge, sehr gut gekleidete Assistent der Geschäftsführung. Darüber entscheide zumeist die Hotelchefin. Die so bedachten Gäste würden darauf keineswegs in jedem Fall hingewiesen. Erfolgten die Buchungen über bestimmte Vertragspartner, wie im Fall Groenewold über American Express, seien derartige Hochstufungen überdies verbindlich vereinbart.

Interna aus dem Nobelhotel

Dem Assistenten der Hotelchefin ist es unangenehm, über Interna zu berichten. Richter Frank Rosenow ermahnt ihn, dass Diskretion vor Gericht fehl am Platze sei. Der Zeuge kann dennoch nur allgemein berichten, dass die Suite, die Wulff damals mit Frau Bettina und Baby Linus bezog, 80 bis 100 Quadratmeter groß gewesen sei und über einen Wohn- und einen Schlafbereich verfüge. Eigentlich habe der Preis für eine Nacht damals bei über 1000 Euro gelegen, Wulff bekam das Zimmer für 383 Euro. Groenewold soll davon 200 Euro übernommen haben. Wulff selbst hatte zum Prozessauftakt gesagt, dass Groenewold einen Teil der Kosten für seinen Besuch des Oktoberfestes 2008 übernommen hat, habe er erst viel später aus den Medien erfahren.

Die Frau, bei der Groenwold und Wulff auscheckten, erinnert sich nicht an die beiden. Prominente Gäste seien eher Alltag als Ausnahme. Richter Rosenow ist amüsiert: „Dann spielt es auch keine Rolle, ob da der Name Wulff auftaucht oder David Beckham.“ Wulff lacht. „Man hat das Gefühl, Kafka hätte über diesen Prozess geschrieben“, kommentiert Wulff zur Mittagspause. Er verweist auf Kafkas Parabel „Der Schlag ans Hoftor“. In dem Werk ist ein Mann der Justiz ausgeliefert, ohne dass er erfährt, warum. Im Falle Wulff kann man den Grund in der Anklage nachlesen. Danach soll Groenewold rund 750 Euro von Wulff und seiner Frau übernommen haben. Wulff warb später für Groenewolds Film „John Rabe“ beim damaligen Siemens-Chef um Unterstützung. Die Anklage wertet das als Vorteilsannahme.