Drei gigantische Schleusentore sollen von 2016 an die Altstadt von Venedig vor Hochwasser schützen. Doch dem gigantischen Bauprojekt Mose steht nach einer gigantischen Korruptionsaffäre das Wasser bis zum Hals.

Venedig - Wenige Wochen nach der Expo in Mailand wird jetzt ein zweites gigantisches Bauprojekt in Italien von Korruptionsvorwürfen erschüttert. Es heißt Mose und ist das 5,5 Milliarden Euro teure System von beweglichen Deichen, das Venedig vor Hochwasser schützen soll. Am Mittwochmorgen nahm ein Großaufgebot an Polizisten insgesamt 35 Politiker, Firmenvertreter und Steuerberater fest. Der prominenteste ist der Bürgermeister von Venedig, Giorgio Orsoni. Er sitzt jetzt in Hausarrest. Beim Parlament hat die Staatsanwaltschaft hinaus beantragt, die Immunität des früheren Regionalgouverneurs Giancarlo Galan aufzuheben. Er hatte 2003 den Grundstein für Mose gelegt. Den Festgenommenen sowie einer Hundertschaft weiterer Verdächtiger werden Korruption, Erpressung im Amt und Geldwäsche vorgeworfen.

 

Firmen stellten falsche Rechnungen aus

Erste Verhaftungen im weiteren Umfeld von Mose hatte es bereits im Juli vergangenen Jahres gegeben. Seither nahmen die Ermittler das Finanzgebaren des Baukonsortiums Venezia Nuova unter die Lupe. Dabei fielen ihnen, wie sie gestern mitteilten, falsche oder überhöhte Rechnungen im Wert von 15 Millionen Euro in die Hände. Den auf diese Weise illegal aus Steuergeldern kassierten Betrag hätten drei Firmen auf schwarzen Konten in San Marino und der Schweiz versteckt. Ein Großteil dieser Gelder, sagte der leitende Staatsanwalt Luigi Delpino, sei dann dazu verwendet worden, sich bei Politikern Gefälligkeiten zu erkaufen.

Politiker ließen sich mit dem ergaunerten Geld bestechen

Dem 2010 gewählten Bürgermeister Orsoni werfen die Ermittler vor, sich seinen Wahlkampf auf diese Weise finanziert zu haben. Für den Regionalgouverneur Galan soll unter anderem die Renovierung seines Privathauses herausgesprungen sein. Das „System der Illegalität“, sagte Delpino, sei „tief verwurzelt“. Zur Wiedergutmachung hätten beteiligte Firmen bereits jetzt, vor jedem Gerichtsverfahren, neun Millionen Euro an den Staat zurückgezahlt.

Mose – die italienische Abkürzung für „experimentelle elektromechanische Bauteile“ – spielt auf den biblischen Anführer der Israeliten an, der das Wasser des Roten Meeres teilte. Die venezianische Lösung besteht aus 78 beweglichen, stählernen Schleusentoren, die wassergefüllt in den drei Eingängen zur Lagune liegen. Bei Hochwasser von mehr als 110 Zentimetern werden sie mit Luft gefüllt und klappen dabei hoch. Sie sollen in der Lage sein, das historische Zentrum vor „Acqua alta“ von bis zu drei Metern Höhe zu verschonen.

Das Projekt Mose ist ökologisch bedenklich

Das Projekt, das etwa 4000 Personen Arbeit verschafft, ist von Anfang an umstritten. Gegner sprechen von einem Sieg der Baulobby über die Natur: Die beweglichen Dämme zerstörten das prekäre ökologische Gleichgewicht. Die Befürworter weisen auf die Zunahme der Hochwasser-Tage hin. Gab es zwischen 1900 und 1909 nur zwei Fälle dieser Art, so waren es zwischen 2000 und 2009 mehr als fünfzig. Mose soll von 2016 an einsatzbereit sein.