Nach einem schweren Korruptionsvorwurf wird Jochen Großmann, Technikchef des Hauptstadtflughafens BER, beurlaubt. Damit könnte sich das Projekt noch mehr verzögern und noch teurer werden.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Er war der neue Hoffnungsträger, der das „Monster“ bändigen sollte. So nennt der Technikchef des Hauptstadtflughafens BER selbst die fehlerhafte Rauchabzugsanlage, die seit Jahren – zusammen mit anderen Baumängeln – die Eröffnung verhindert. Doch nun drohen Jochen Großmann wegen Korruptionsverdachts der Rauswurf und eine Gefängnisstrafe. Damit könnte sich das Projekt noch mehr verzögern und noch teurer werden.

 

Der promovierte Ingenieur aus Dresden steht unter dringendem Verdacht, von Geschäftspartnern eine halbe Million Euro Bestechungsgeld gefordert zu haben. Der Berater und Professor, der erst seit Kurzem fest angestellt für die staatliche Flughafen Berlin Brandenburg (FBB) arbeitet, wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe beurlaubt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft für Korruption in Neuruppin umfangreiche Durchsuchungen durchgeführt.

Die Vorwürfe waren der Flughafenspitze um Hartmut Mehdorn offenbar schon länger bekannt. Man habe aber zunächst die Prüfungen der Staatsanwaltschaft abwarten und niemanden falsch beschuldigen wollen, heißt es dort. So fand die Razzia erst zwei Tage nach den Kommunalwahlen statt und nach einem Berliner Volksentscheid über die Zukunft des stillgelegten Airports Tempelhof, der für die von SPD und CDU geführte Landesregierung vorigen Sonntag mit einer Pleite endete. Regierungs- und FBB-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit flog danach zu einer Wirtschaftsreise nach China. Die Flughafengesellschaft erklärte nach der Razzia, man habe selbst die Staatsanwaltschaft über den Korruptionsverdacht gegen „einen leitenden Angestellten“ informiert. Der Verdacht habe sich im Gespräch mit einem Vertreter eines internationalen Unternehmens ergeben, das in der technischen Planung tätig sei. Großmann, der zum Zeitpunkt des Vorfalls noch als Berater für die FBB tätig gewesen sein soll und Auftragsvergaben beeinflussen konnte, soll im Vergabeverfahren Vorteile gefordert haben. Falls es zu einer Verurteilung kommt, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Auch gegen den Angestellten der Planungsfirma, von dem Großmann das Bestechungsgeld wollte,  wird ermittelt.

Ein weiterer Scherbenhaufen

Die Affäre bringt FBB-Chef Hartmut Mehdorn und Aufsichtsratschef Wowereit noch mehr unter Druck, denn Großmann  war von dem Führungsduo als neuer Hoffnungsträger geholt worden, nachdem der bisherige Technikchef und zuvor ebenfalls als Retter geholte Manager Horst Amann von Mehdorn entmachtet und abgeschoben worden war. Amann soll noch einen Vertrag bis 2017 haben und weiterhin 300 000 Euro pro Jahr bekommen.

Nun stehen die Berliner Flughafenstrategen vor einem weiteren Scherbenhaufen, denn Großmann sollte als Brandschutzexperte vor allem das größte Problem beim Flughafen BER lösen, den teuren und aufwendigen Umbau der fehlerhaften Rauchabzugsanlage, der noch bis zu zwei Jahre dauern könnte. Erst im April hatte der neue Technikchef im Aufsichtsrat, in dem zahlreiche Politiker sitzen, die Anlage als Fehlplanung bezeichnet, die nie habe funktionieren können.

Die Rauchabzugsanlage soll das riesige Empfangsgebäude des Flughafens bei einem Brand schnell von giftigen Dämpfen befreien und ein Feuer ersticken. Dazu müssen bis zu 4000 Klappen gesteuert und bewegt werden, wenn Feuermelder anspringen. Die Anlage soll von Siemens saniert werden, der Münchner Konzern wartet aber auf Vorarbeiten der FBB und hat dann bis zu 18 Monate Dauer veranschlagt. Dem Vernehmen nach müssen neue Kabelstränge über mindestens 35 Kilometer Länge verlegt werden, was bedeutet, dass das ansonsten fertige Gebäude erneut zur Großbaustelle wird.

Über die Gründe der Baumängel wird seit Jahren heftig gestritten. Während die FBB und der neue Technikchef die Anlage als Fehlkonstruktion darstellen, verweisen die Planer darauf, dass die Politik und die Flughafenmanager zahlreiche Erweiterungen und Umbauten beim Airport auf den Weg brachten, ohne auch das Brandschutzkonzept fortzuschreiben.

Großmanns bisherige Entscheidungen sollen geprüft werden

Der Vorsitzende des Flughafen-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius (Piratenpartei), fordert nun, alle bisherigen Entscheidungen des unter Korruptionsverdachts stehenden Technikchefs zu prüfen. Es dürfe keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Vergaben, Planungsänderungen und Personalentscheidungen geben. Delius wirft Mehdorn eine „desolate Personalpolitik“ vor.  Der Haushaltsexperte der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler, erklärte: „Die Verantwortung für den Korruptionsskandal tragen Hartmut Mehdorn und der Aufsichtsrat.“ Aufsichtsratschef Wowereit weist die Vorwürfe zurück. Man werde die Korruptionsaffäre zügig aufklären, und man habe „nichts zu verstecken“, sagte Wowereit in Peking, wo er auf seiner Chinareise mit einer Wirtschaftsdelegation Station machte. Gleichzeitig verteidigte er Mehdorn, der „unverzüglich“ gehandelt habe. Gegen kriminelle Handlungen, so Wowereit, sei niemand gefeit.

Nach Informationen des Fernsehsenders RBB soll das Bestechungsgeld nicht ausgezahlt worden sein. Offenbar ist der Fall durch eine interne Prüfung der Bieterfirma aufgeflogen, bei der ein Dienstleistungsvertrag aufgefallen sein soll. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, es gebe bisher zwei Beschuldigte und eine „relativ gute Erkenntnislage“.