Korso in Böblingen Gedenkfahrt für tödlich verunglückte Motorradfahrer

Michael Aschermann liebt Motorradfahren – und blendet das Risiko nie aus. Foto: Stefanie Schlecht

Ihr Motto: nie schneller fahren als der Schutzengel. Hunderte Motorradfahrerinnen und -fahrer haben jenen Zweiradfahrern gedacht, die seit Januar auf der Straße ums Leben gekommen sind.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Inmitten Hunderter PS-starker Motorräder steht die Vespa von Susi Lex. Ohne einen Spritzer Dreck glänzt das Fahrzeug in der Sonne – ganz bestimmt hat die Zweiradliebhaberin es extra für diesen Sonntag herausgeputzt. Auf den Windschild hat sie ein Foto des vor gut einem Jahr während einer Eskorte für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán tödlich verunglückten Motorradpolizisten Thomas Hohn geklebt. Als ein Motorradfahrer sie fragt, wer da zu sehen sei, sagt sie: „Ein Freund.“

 

Die Krankenschwester aus Stuttgart ist am Sonntag zur Gedenkfahrt für verunglückte Motorradfahrer nach Böblingen gekommen. Erst seit Kurzem ist sie von ihrem BWM-Motorrad auf die Vespa umgestiegen, unter anderem wegen der vielen Motorradunfälle in ihrem Umfeld. Es ganz sein zu lassen, schafft sie nicht: „Man spürt den Wind, man hört die Geräusche – ich kann ohne Zweirad nicht leben“, sagt Susi Lex.

Susi Lex trauert um einen Freund. Foto: Leonie Schüler

Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Motorradfahrer Schönbuch (ACM) organisiert den Korso seit 1989. Immer am zweiten Wochenende im Oktober treffen sich Hunderte motorisierte Zweiradfahrer auf dem Flugfeld zu einer Rundfahrt durch Böblingen und Sindelfingen, um den im zurückliegenden Jahr tödlich verunglückten Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern aus den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen zu gedenken. 28 Männer und Frauen sind es, die seit Januar von einer Ausfahrt mit ihrem Zweirad nicht in die heimische Garage zurückgekehrt sind. „28 zu viel“, sagt Jürgen Hofmeister, der an der Gedenkfahrt teilnimmt.

Michael Aschermann führt den Korso, den er auf 400 Teilnehmende schätzt, an. Er ist von Anfang an dabei und hat die Gedenkfahrt heuer zum 36. Mal organisiert. Anlass bei der Gründung sei der tödliche Motorradunfall eines Bekannten gewesen, erzählt er, und bis heute ist es ihm wichtig, einen Raum für Trauer zu schaffen. „Es ist ein Angebot, um seine Emotionen miteinander zu reflektieren“, sagt der 67-Jährige, der seit 55 Jahren auf zwei Rädern unterwegs ist.

Das Risiko auf dem Motorrad nie ausblenden

Er möchte allen, die seine Leidenschaft teilen, wieder und wieder in Erinnerung rufen: Passt auf! „Wenn ich ausblende, dass ein Risiko dabei ist, wird es gefährlich.“ Gleichwohl solle das Hobby Spaß machen, sagt er und schwärmt vom Glücksgefühl beim Fahren. „Das macht was mit einem.“ Kopf und Bauch, beides gehöre zusammen. Als Fahrsicherheitstrainer zeigt Aschermann Motorradfahrern Strategien, das Gefährt sowohl physisch als auch psychisch zu beherrschen.

Weil die Mitglieder der ACM im christlichen Glauben verankert sind, endet der Korso traditionell mit einem Gedenkgottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche. Dort wird für jeden Verunglückten eine Kerze entzündet, es gibt eine Schweigeminute, Fürbitten werden verlesen. „Das ist sehr emotional, das lässt keinen kalt“, sagt Aschermann. Das Motto der ACM sei es, immer mit GS unterwegs zu sein – mit Gottes Segen. „Und nie schneller zu fahren als der Schutzengel.“

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