Die Stadt Ludwigsburg spricht von einem Instrument zur Kundenbindung, Kritiker von „Schmiergeld“: Finanzielle Anreize sollen die Auslastung des kommunalen Krematoriums sicherstellen – sie sind aber umstritten.

Ludwigsburg - Die Stadt Ludwigsburg spricht von einem Instrument zur Kundenbindung, der Grünen-Stadtrat Michael Vierling von „Schmiergeld“: Wenn ein Bestattungsunternehmer einen Leichnam zur Einäscherung zum städtischen Krematorium bringt, bekommt er seit Jahresbeginn 70 Euro als „Aufwandsentschädigung“. Dieser Anreiz sei nötig, um die Auslastung der Anlage gewährleisten zu können, sagt Ulrike Schmidtgen, die Leiterin des Fachbereichs Tiefbau und Grünflächen. Die private Konkurrenz ist der kommunalen Anlage trotzdem weit überlegen.

 

Trauernde im Termindruck

Die Pietät-Unternehmen hätten keinen Einfluss darauf, ob oder in welcher Höhe diese Prämie gezahlt werde, sagt Harald Ruthardt vom gleichnamigen Bestattungshaus in Ludwigsburg. Aber selbstverständlich nehme man das Geld gern an. „Auch wir zahlen diesen Bonus“, sagt Peter Maier, der im Rutesheimer Gewerbegebiet (Landkreis Böblingen) das Krematorium Bonholz betreibt. „Aber ich glaube nicht, dass dieser Betrag großen Einfluss hat.“ Am Ende zähle für die Bestatter wie für die Trauernden „das Arrangement“: Wie bald kann eine Einäscherung erfolgen? Wie zuverlässig lassen sich Kremierung und Urnenbeisetzung terminieren?

Grundsätzlich arbeite er mit dem kommunalen Krematorium zusammen, sagt Ruthardt. „Aber wenn es von den Kunden gewünscht wird, fahren wir auch nach Rutesheim.“ Oft hänge das vom Sterbetag ab. „Im Ludwigsburger Krematorium kommt der Amtsarzt nur dienstags und donnerstags, erst danach darf eingeäschert werden.“ Auch wenn dort die Anlagen täglich in Betrieb sind, kann eine Woche zwischen Todesfall und Trauerfeier vergehen. „Vielen ist das zu lang“, erklärt Ruthardt, „die möchten schneller abschließen.“

Um den städtischen Verbrennungsofen kostendeckend betreiben zu können, müssen jährlich bis zu 1000 Einäscherungen vorgenommen werden, sagt Schmidtgen. In den letzten Jahren habe man diesen Kostendeckungsgrad in etwa geschafft, und dank der Prämienerhöhung werde er wohl auch künftig gehalten, nimmt die Fachbereichsleiterin an. Die Stadt zahlt die Boni seit 2006. Damals waren es 40 Euro, seit 2010 wurden pro angeliefertem Leichnam 60 Euro gezahlt. Täglich könnten bis zu sieben Leichen verbrannt werden, sagt Schmidtgen. Mehr verbiete das Bundesimmissionsschutzgesetz. Außerdem dürften die Mitarbeiter nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

12 000 Verbrennungen im Jahr

Peter Maier mag nicht gern von Konkurrenz sprechen, aber er muss die kommunalen Anlagen auch nicht fürchten. Im Gegenteil: gibt es dort Engpässe, profitiert er davon. „Mit Ausnahme der Stuttgarter. Die fahren dann nach Karlsruhe“, sagt er. In Rutesheim werden pro Tag bis zu 50 Tote eingeäschert, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 12 000. Begonnen hat Maier 2003 mit zwei, seit 2012 betreibt er vier Öfen. „Wenn ein Bestatter heute einen Sarg anliefert, kann er morgen die Urne in Empfang nehmen“, sagt er. Die nächsten privat geführten Krematorien befinden sich in Schwäbisch-Hall und Landau. Auch im ländlichen Raum hat sich innerhalb von zehn Jahren das Verhältnis zwischen Erd- und Feuerbestattung umgekehrt: im Schnitt werden auch dort mittlerweile 70 Prozent der Toten eingeäschert, in den Städten liegt der Prozentsatz noch höher.