Weil der Bund schon im Jahr 2008 von der Kostenexplosion beim Bahnprojekt Stuttgart 21 wusste, greift die Linke jetzt den SPD-Kanzlerkandidat und damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück an.
Stuttgart/Berlin - Die Bundesregierung wusste nach Aussage des Bundesrechnungshofs schon vor fünf Jahren, dass die Kosten für Stuttgart 21 aus dem Ruder laufen. Damals war die schwarz-rote Koalition in Berlin an der Macht. Das nimmt die Linkspartei zum Anlass, nun peinliche Fragen an den SPD-Kanzlerkandidaten und damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sowie seinen Kabinettskollegen und Parteifreund, den ehemaligen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, zu richten.
Der Bundesrechnungshof hatte bereits 2008 vorausgesagt, dass das Bahnprojekt mindestens 5,3 Milliarden Euro kosten werde. Dieter Engels, der Präsident des Rechnungshofs, erklärte jetzt in einem Interview, diese Prognose habe sich „im Wesentlichen auf Erkenntnisse gestützt, die auch dem Bundesverkehrsministerium vorlagen“.
Deshalb nimmt die Linkspartei Steinbrück ins Visier. „Die Aussagen des Rechnungshofpräsidenten lassen bei mir viele Fragen offen“, erklärte Bernd Riexinger, der Bundesvorsitzende der Linkspartei gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Vor allem, dass die damaligen Minister für Verkehr und Finanzen nichts über milliardenschwere Mehrkosten gewusst haben sollen, ist absolut unglaubwürdig. Herr Steinbrück und Herr Tiefensee sollten offen legen, was sie von der Kostenexplosion bei Stuttgart 21 wussten, und seit wann sie es wussten.“ Nach Riexingers Auffassung liegt der „Verdacht, dass der Öffentlichkeit wichtige Informationen vorenthalten wurden, auf der Hand“. Engels Aussage legt nahe, dass die Projektpartner Bahn, Bund, Land und Stadt im April 2009 einen Vertrag unterschrieben, in dem die Kosten auf 3,076 Milliarden Euro beziffert wurden, obwohl mindestens Berlin bereits Kenntnis von der Kostenlawine hatte.
Riexinger: „Frage nach Übernahme politischer Verantwortung“
Der Linkspolitiker Bernd Riexinger nimmt deshalb die damaligen SPD-Minister in Mithaftung. „Die Brisanz ist offenkundig. Immerhin wurde das Projekt mit bewusst untertriebenen Kosten durch alle Entscheidungsgremien und sogar durch einen Volksentscheid gejagt“, betont Riexinger gegenüber der StZ. „Wenn sich jetzt herausstellt, dass die Verantwortlichen im Bund schon 2008 wussten, dass Stuttgart 21 mehr als fünf Milliarden kosten würde, dann stellt sich auch heute noch die Frage nach der Übernahme der politischen Verantwortung.“
Der Rechnungshofchef Dieter Engels hat in seinem Interview angekündigt, die Kosten von Stuttgart 21 würden erneut überprüft. Dabei werde untersucht, „wie sich der Bund als Eigentümer der DB AG und als Mitfinanzier“ verhält. Engels steht einem Ausstieg aus Stuttgart 21 skeptisch gegenüber. „Radikallösungen“ müssten Ausnahmen bleiben, vor allem weil diese einen erheblichen Zeitraum für Planung und Bau benötigten.