Viele Städte liebäugeln damit, Hotspots einzurichten, um kostenloses Surfen im Netz zu ermöglichen. Esslingen aber zum Beispiel hält sich zurück.

Stuttgart - Für Böblingen ist die Angelegenheit schlicht eine Prestigefrage. Als Heimat des deutschen IBM-Entwicklungszentrums, von Hewlett-Packard oder des Softwarezentrums Böblingen/Sindelfingen, dem hundert Softwarefirmen angehören, versteht sich die etwa 45 000 Einwohner zählende Kreisstadt als Hightech-Stadt. Schon im vergangenen Oktober wurde in der Böblinger Innenstadt deshalb ein schnelles Wlan freigeschaltet, das ein kostenloses Internetsurfen erlaubt.

 

Damit war Böblingen zwar flott, aber nicht schnell genug. Unter den 25 Großen Kreisstädten in der Region Stuttgart war Göppingen die erste, die es den Besuchern ermöglichte, vom Marktplatz aus kostenlos im Netz zu surfen. Allerdings bietet die Hightech-Stadt Böblingen ihren Nutzern eine Hightech-Internetvariante. Das dortige Wlan hat eine Bandbreite von 50 Megabit pro Sekunde; damit ist es laut der Stadt so leistungsfähig, dass sich problemlos Filme in hoher Qualität anschauen lassen. Mittlerweile können sich die Böblinger rund um die Seen oder im Bürgeramt im Rathaus in das städtische Wlan einloggen. Im Frühjahr werde das Angebot auf die Bahnhofstraße und die Bibliothek ausgedehnt, sagt der Pressesprecher Wolfgang Pfeiffer. 40 000 Euro hat die Stadt in das Wlan-Angebot investiert, 14 000 Euro kostet der jährliche Unterhalt.

Das freie Wlan ist aber auch billiger zu haben – mit weit geringerer Leistung. In Schorndorf im Rems-Murr-Kreis etwa hat das Wlan-Angebot, das die gesamte Innenstadt abdeckt, eine Leistungsfähigkeit von vier Megabit pro Sekunde. Außerdem hat die Stadt mit der österreichischen Firma IT-Innerebner einen Betreiber damit beauftragt, sich um den Unterhalt zu kümmern. Er kommt über Werbeeinnahmen auf seine Kosten. Wer sich in Schorndorf einloggt, wird für ein paar Sekunden mit der Werbung örtlicher Unternehmen beglückt. An der Stadtkasse bleiben lediglich die Stromkosten hängen, laut dem Kämmerer Thorsten Englert 500 Euro pro Jahr.

Städte zögern wegen rechtlicher Bedenken

Bislang bieten allerdings nur sechs von 25 Großen Kreisstädten in der Region Stuttgart freies Wlan an: Böblingen und Leonberg, Göppingen sowie Schorndorf, Waiblingen in der Stadtbücherei und Winnenden. Stuttgart gehört zum Kreis jener elf Großen Kreisstädte in der Region, die sich derzeit überlegen, ein drahtloses Netzwerk einzurichten. Vier weitere Große Kreisstädte sind über das Überlegen schon hinaus. In Sindelfingen, Filderstadt und Nürtingen sowie Geislingen ist die Einführung bereits beschlossene Sache.

Zögerlich in Sachen freies Wlan waren die Städte aber bisher vor allem aus rechtlichen Gründen. Die Kommunen befürchteten, dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn jemand über ihr Wlan illegal Daten herunterladen oder verbotene Inhalte wie Kinderpornografie nutzen würde: Es geht um die sogenannte Störerhaftung. Bis vor einigen Jahren sei die Rechtsprechung in dieser Frage ziemlich restriktiv gewesen, erklärt Carsten Ulbricht von der Stuttgarter Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte. Damals handelten sich auch Privatpersonen mächtig Ärger ein, wenn sie illegal Musik heruntergeladen hatten.

„In der Zwischenzeit urteilen die Gerichte zurückhaltender“, sagt der Jurist, der als Fachmann für Internetrecht und Social Media unter anderem an der Deutschen Presseakademie lehrt. „Man muss das Erforderliche und Zumutbare tun, um einen offensichtlichen Missbrauch zu verhindern“, so laute die aktuelle Rechtsprechung. Das bedeute vor allem: der Betreiber habe den Zugang insoweit zu beschränken, als sich die Nutzer anmelden und dabei Namen, Mail- und Postadresse angeben müssten. Auch die Bundesregierung bereitet einen Gesetzentwurf vor, der diese Frage konkreter regeln soll.

Debatten über Elektrosmog

Städte wie Göppingen, Winnenden oder Schorndorf haben Firmen eingeschaltet, die das städtische Wlan-Netz betreiben – und damit auch das Haftungsrisiko delegiert. Göppingen arbeitet mit einem Berliner Unternehmen namens Hotsplots zusammen, die anderen drei Städte kooperieren mit IT-Innerebner, die auch als Partner der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) auftritt. Die KDRS ist als IT-Dienstleisterin für alle Gemeinden in der Region zuständig. In Schorndorf blockt IT-Innerebner laut der Stadt illegale, pornografische und nicht jugendfreie Seiten sowie Youtube. Letzteres soll verhindern, dass sich User lange Filme herunterladen und so das Wlan lahmlegen.

Vier Große Kreisstädte – Esslingen, Remseck, Fellbach und Weinstadt – haben sich bisher gegen ein Wlan-Angebot entschieden. In Remseck scheitert der freie Internetzugang an der fehlenden Stadtmitte. Die besteht nur aus einer stauträchtigen Straßenkreuzung. In Fellbach und in Weinstadt zweifelt man am Bedarf. Schließlich verfüge jeder Smartphone-Besitzer über eine Flatrate. In Esslingen wiederum hält man sich aus anderen Gründen zurück. Jeder neue Mobilfunkmast löst in der Stadt Debatten über Elektrosmog aus. Um in der verwinkelten Altstadt flächendeckend Wlan anbieten zu können, wäre eine Reihe von Antennen notwendig, was nicht nur konfliktträchtig, sondern auch teuer werden dürfte, sagt Michael Metzler von der Esslinger Stadtmarketing und Touristik.