Corona-Tests in der Region Stuttgart Was Sie über Testzentren wissen sollten

Vertrauter Anblick: Schnelltestzentren gehören inzwischen zu fast jedem Stadtbild. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski (Archiv)

Testen, Testen, Testen: Die Stationen, bei denen Bürger sich kostenlos auf Corona testen lassen können, werden immer wichtiger. Wer bezahlt all diese Tests eigentlich? Und ist der Vorrat groß genug?

Region Stuttgart - Erst gab es kostenlose Corona-Tests nur für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und spezielle Personengruppen. Inzwischen darf sich jeder Bürger gratis testen lassen. So soll die Rückkehr in einen gelockerten Alltag halbwegs sicher sein. Die Strategie birgt Risiken.

 

Reichen die Schnelltests?

Als zu Beginn der Pandemie Masken in rauen Mengen benötigt wurden, waren sie erst mal Mangelware. Als in diesem Frühjahr Selbsttests wichtig wurden, gab es erst mal nicht genug. Als die Schulen im April auf Testkits in großem Stil angewiesen waren, gab es: zu wenig. Nun, angesichts der aktuellen Lockerungen, kommt den offiziellen Schnelltests eine immense Bedeutung zu. Nur: Gibt es genug davon? Grund zur Sorge besteht offenbar nicht: „Die Tests werden auf jeden Fall reichen“, ist Mario Schneider überzeugt, der von Ulm aus ein Netz aus fast 30 Schnelltestzentren in Süddeutschland aufgebaut hat. Es gebe so viele Hersteller und Wiederverkäufer, dass ein Mangel nicht zu befürchten sei. Das Bundesgesundheitsamt stellt fest: Es seien genug Tests auf dem Markt.

Wird das Angebot missbraucht?

Da die Daten bei einem negativen Testergebnis nicht gespeichert werden und auch sonst kein Austausch unter den Teststellen stattfindet, fällt nicht auf, wenn sich jemand täglich testen lässt. Ein Test für die Kosmetikerin am Dienstag, ein neuer Test für den Besuch im Lokal am Mittwoch und so weiter. Zunächst gab es kostenlose Tests nur für bestimmte Personengruppen, etwa für Lehrer und Erzieher oder Kontaktpersonen von Infizierten. Das könnte dann relevant sein, wenn Nutzer mit einem Teststellen-Hopping Geld sparen könnten. Zunächst nämlich gab es kostenlose Tests nur für bestimmte Personengruppen, etwa für Lehrer und Erzieher oder Kontaktpersonen von Infizierten. Alle anderen mussten bis zu 35 Euro bezahlen. Seit März jedoch hat jede Bürgerin und jeder Bürger Anspruch auf mindestens (!) einen kostenlosen Test pro Woche, was praktisch bedeutet: Jeder kann sich so oft testen lassen wie er möchte. Das ist gut, weil es hilft, das Virus zu erkennen. Übertrieben oft sollte das Angebot dennoch nicht genutzt werden. Auch wenn unmittelbar an der Teststelle keine Rechnung zu begleichen ist – kommen wird sie. „Am Ende bezahlt der Steuerzahler“, sagt Mario Schneider.

Wie rechnet sich eine Teststation?

An den Schnelltests selbst verdienen die Betreiber nichts. Ihre Ausgaben dafür bekommen sie eins zu eins vom Bund erstattet – wobei der Betrag auf sechs Euro pro Test gedeckelt ist. Teurer darf er also nicht sein, sonst zahlt der Betreiber drauf. Was hingegen Geld bringt, ist die Durchführung des Tests. Pro Testung bezahlt der Bund zwölf Euro, ein Arzt erhält 15 Euro. Selbst eine relativ kleine Teststation wie die bei der Ludwigsburger MHP-Arena mit etwa 160 Testungen am Tag kann so im Monat knapp 40 000 Euro einnehmen. Nicht zu vergessen ist dabei allerdings, dass eine Teststelle auch Ausgaben hat, mahnt Mario Schneider. Am meisten für das Personal und für die Ausstattung mit Hygienematerial zum sicheren Arbeiten. Auch eine Miete kann fällig werden. Reich wird man mit dem seriösen Betrieb einer Teststelle also eher nicht – aber auch nicht ärmer. Mario Schneider immerhin hat sein aktuelles Geschäftsmodell vor großer Not bewahrt. Weil seine Eventlocation Theatro seit Monaten geschlossen war, richtete er dort im Dezember sein erstes Testzentrum ein.

Wie erkennt man eine gute Teststelle?

Bis vorigen November durften nur Ärzte auf Corona testen, inzwischen darf im Prinzip jeder, der will, eine Teststation betreiben. Einerseits ist dieser leichte Einstieg sinnvoll, da so schnell viele Testmöglichkeiten geschaffen werden können. Andererseits ist er nicht ungefährlich, da er auch Glücksritter auf den Plan rufen könnte. Tatsächlich gibt es längst Berichte von Testern, die ihr Zentrum als Goldgrube missbrauchten. In Lübeck etwa wurde im März eine Station geschlossen, weil dort Befunde von PCR-Tests möglicherweise gefälscht wurden und sich eine Mitarbeiterin zu Unrecht mit einem Doktortitel ausgewiesen haben soll. Nichtsdestotrotz: Ein paar Ansprüche stellt das Land an die Betreiber durchaus. So gilt es detaillierte Hygienevorschriften einzuhalten und nur einschlägig geschultes Personal einzusetzen, idealerweise sogar medizinisch ausgebildetes. Im Zweifel kann das Gesundheitsamt, bei dem sich Betreiber anmelden müssen, den Einsatz untersagen. Regelmäßige Kontrollen finden nicht statt, doch jeder Nutzer kann sein eigener Kontrolleur sein. Aufschlussreich kann neben den optischen Eindrücken (sauber, ordentlich) ein Blick ins Impressum auf der Homepage sein: Wer steht hinter der Station: Ein Arzt oder Apotheker, eine Hilfsorganisation oder sonst eine fachlich versierte Einrichtung? Mario Schneider etwa hat ein Labor mit der medizinischen Leitung seiner Zentren beauftragt. Hilfreich kann auch ein Gespräch mit dem Testpersonal sein: Können die Mitarbeiter ihre Arbeit erklären? Welchen beruflichen Hintergrund haben sie?

Was passiert mit dem vielen Müll?

In den Teststellen in Stuttgart haben in der zweiten Maiwoche rund 40 000 Bürger einen kostenlosen Schnelltest machen lassen. Im Kreis Böblingen waren es rund 38 000, im Kreis Esslingen etwa 35 000. Nicht in der Statistik erfasst sind Tests, die bei Apothekern und Ärzten, in Betrieben, Kitas und Schulen gemacht wurden. Aber auch so ist längst klar: Der Müllberg wächst gewaltig. Über deren Entsorgung haben sich unter Federführung des Umweltbundesamts viele Experten Gedanken gemacht. Das Ergebnis: Die gebrauchten Testkits können über den Restmüll entsorgt werden. Zu den Verpackungsresten gibt es keine Empfehlung. Vielleicht gehen die Experten davon aus, dass alle Betreiber ihren Müll trennen.

Reicht die Zahl der Teststationen?

In Stuttgart ist die große Frage, ob die Kapazitäten an Schnelltests auch reichen, wenn am Donnerstag der seit Längerem erste größere Öffnungsschritt vollzogen wird. Hans-Jörg Wertenauer, Stuttgarter Hausarzt und Betreiber mehrerer Schnelltestzentren etwa auf dem Schlossplatz, kann sich „keine längere Knappheit vorstellen“ bei den Schnelltests, allenfalls kurzfristig und punktuell. So sei die Teststelle auf dem Schlossplatz derzeit nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet. Statt der möglichen 2900 Tests am Tag werden dort zwischen 800 und 1400 vorgenommen. In seinen anderen Teststellen liege die Auslastung nur bei etwa zehn Prozent. Die Zahlen der Stadt bestätigen das. So gebe es heute 193 Teststationen in Stuttgart, 66 mehr als bei der vorigen Zählung, sagt Sprecherin Jasmin Bühler. Darunter sind 35 Apotheken und 25 Ärzte, aber das sind Beileibe nicht alle, die testen, Apotheken und Hausärzte müssen das nicht melden. Laut Stadt sind in der ersten Maiwoche pro Tag im Schnitt 7415 Schnelltests gemacht worden (ohne Pflegeheime, Betriebe, Schulen, Kitas), in der Woche darauf 7058 am Tag. Die von den Stelle angegebene Testkapazität liegt aber bei insgesamt 67 917 am Tag, also nahezu das Zehnfache. Hans-Jörg Wertenauer geht davon aus, dass alle Teststellen ihre Kapazität „in kürzester Zeit erhöhen können“. Für den Fall der Fälle hat der Mediziner die Personalkapazität auf dem Schlossplatz pro Schicht von zwölf auf 23 Mitarbeiter fast verdoppelt. Doch Wertenauer mahnt: Wenn viele gleichzeitig vor dem Kneipengang um 17 oder 18 Uhr nach der Arbeit kämen, ohne zuvor im Terminvergabesystem online gebucht zu haben, könne es „zu Staus und Wartezeiten kommen“.

Wie sicher sind die Testergebnisse?

Hans-Jörg Wertenauer warnt davor, sich nach einem negativen Schnelltest allzu sicher zu fühlen. Auch bei den Stäbchentests, die recht tief in den Nasen-Rachen-Raum geführt werden, liege die Sensitivität nur bei rund 60 Prozent. „Danach werden 40 von 100 Infizierten übersehen“, erklärt der Mediziner. Die Treffsicherheit liege nicht bei 96 Prozent, wie dies Hersteller nach Tests unter Laborbedingungen angeben. Ein negativer Schnelltest erhöhe zwar die Sicherheit, sei aber „keine Garantie, dass jemand nicht infiziert ist“, betont Wertenauer. Man müsse weiter Hygiene- und Abstandsregeln einhalten.

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