Der Verein Freikonzert will in Stuttgart öfter das anbieten , was sein Name nahe legt: Konzerte, die nichts kosten. Das Pilotprojekt startet am 7. Februar.

Stuttgart - Auch wenn die Sorgen der jungen Kulturschaffenden derzeit groß sind, Lethargie ist nicht festzustellen. Im Gegenteil: mit jedem Ort, der von der Clublandkarte der Stadt verschwindet, entstehen neue kreative Ideen. Wir erinnern uns an den Filmemacher Denis Pavlovic, der mit seinem Film „Wo tanzen wir morgen?“ auf der Filmschau Baden-Württemberg für Furore gesorgt hat. Darin hat er Clubbetreiber begleitet, die gerade dabei waren, ihre Discokugeln in Umzugskartons zu packen und für immer die Tür ihrer Lokalität und ihrer Existenz zu schließen.

 

Aus der Not eine Tugend machen, so könnte man auch die Aktion der ehemaligen Mitarbeiter der Filmgalerie 451 umschreiben. Die suchen seit der Schließung der Videothek einfach eigenhändig nach neuen Räumlichkeiten und erarbeiten ganz nebenbei ein Konzept für einen neuen Ort der Filmkunst. Und dann gibt es da nicht zuletzt das neu gegründete Club Kollektiv, ein Zusammenschluss sämtlicher Clubbetreiber, Veranstalter, Blogger und sonstiger Nachtschwärmer, die sich gemeinsam für ihre Interessen einsetzen möchten.

Diese Art von Konzerten soll es öfter geben

Fehlt also nur noch jemand, der sich um die Vielfalt in Sachen Live-Musik in der Stadt kümmert. Diese Jemande sind seit Kurzem mit Tobias Reisenhofer und Reiner Bocka gefunden. Die beiden haben den Verein Freikonzert gegründet, der genau das tun will, was der Name schon sagt: kostenlose Konzerte anbieten. „Die Idee spukt uns schon seit zwei Jahren in den Köpfen“, sagt Tobias Reisenhofer. Die beiden Vereinsgründer sind nicht ganz unvertraut mit der Materie, Reisenhofer ist Geschäftsführer einer Konzertagentur, Bocka organisiert seit Jahren kleine, aber feine Konzerte in seinem Café Galao im Stuttgarter Süden. Zusammen sind sie im Planungsteam des Marienplatzfestes, die Zusammenarbeit funktioniert, also will man nun einen Schritt weiter gehen. „Wir haben gesehen wie gut das Marienplatzfest mit seinen Konzerten von einer breiten Masse angenommen wird, finden aber, dass es Konzerte, die nichts kosten, in dieser Größenordnung deutlich häufiger geben sollte.“

Ein weiterer Beweggrund: die Konzertspielstätten fallen weg. Mit der Röhre hat der Stuttgarter Musikbetrieb einen herben Schlag einstecken müssen, mit dem Rocker 33 wird es ab Februar wieder eine Spielstätte für mittelgroße Konzerte weniger geben. Das Ziel der beiden ist es, deshalb keine kleinen Konzerte wie die im Galao mit meist unbekannten Bands, sondern größere mit Musikern zu veranstalten, die schon so etabliert sind, dass die Tickets normalerweise einiges kosten. Dass sich andere Veranstalter, die Geld für die Konzerte verlangen, über die Freikonzerte ärgern könnten, ist ihnen bewusst. „Langfristig glaube ich aber, schaffen wir eine positive Synergie“, sagt Reisenhofer. Wem das kostenlose Konzert gefallen hat, werde beim nächsten Mal tiefer in die Tasche greifen.

Pilotprojekt am 7. Februar

Doch wie finanziert man kostenlose Konzerte? Reisenhofer und Bocka sind durch ihre jahrelange Erfahrung mit der Szene gut vernetzt. Sie konnten Sponsoren aus der Gastronomie und Veranstaltungstechnik gewinnen. Auch über das gastronomische Angebot sollen die Konzerte finanziert werden. „Die erste Veranstaltung ist natürlich ein Risiko. Wir schauen beim Pilotprojekt, ob sich unser Konzept so umsetzen lässt, wie wir uns das wünschen“, sagt Reisenhofer.

Das Pilotprojekt findet am Freitag, den 7. Februar statt und zwar an einem ganz besonderen Ort: in der katholischen Kirche St. Maria in der Tübinger Straße. Denn auch das gehört zum Konzept, nicht die üblichen, sondern außergewöhnliche Orte zu bespielen. Bei der ersten ist nicht nur das Pop-Duo Me and My Drummer mit der Singer-/Songwriterin Kat Frankie zu Gast, sondern auch ein DJ. Eine Kombination, die nicht in eine Kirche zu passen scheint und doch: der Pfarrer war vom Konzept begeistert. „Da gab es gar keine Probleme“, sagt Reisenhofer. „Obwohl wir gar keinen kirchlichen Auftrag haben“, fügt Reiner Bocka hinzu und lacht. Wahrscheinlich mag das Entgegenkommen der Gemeinde auch an der Auswahl der Musik liegen. Die Bands stammen alle aus dem alternativen Bereich, spielen Musik, die in Richtung Indie-Folk geht, also etwas ruhigere, gediegene Klänge, die perfekt zum Freitagabend passen. „Unsere Konzerte sollen zum Genießen sein, um runterzukommen von der Woche“, sagt Reisenhofer.

Plattform für Nachwuchsbands

Irgendwann, wenn sich das Konzept bewiesen hat, möchte der Verein Freikonzert auch Plattform für lokale Nachwuchsbands sein, die dort die Möglichkeit bekommen, sich vor großem Publikum zu präsentieren. In die Kirche St. Maria passen immerhin bis zu 800 Besucher. Das ist eine Menge für eine Nachwuchsband oder einen Nachwuchs-DJ.

Und das ganz große Ziel der beiden ist, dass irgendwann jeder in der Stadt weiß, was das ist, ein Freikonzert. „Wir möchten eine neue kulturelle Institution in Stuttgart etablieren“, sagt Reisenhofer.