Der Stuttgarter Oberbürgermeister hat am Mittwoch auf die Vorschläge aus Berlin mit Skepsis reagiert. Der Bund solle „nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen“.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) zählt Jahr für Jahr mehr Fahrgäste, mehr Einnahmen, mehr gefahrene Kilometer, mehr Fahrzeuge – und wenn an diesem Freitag die Zahlen aus dem Jahr 2017 verkündet werden, geht es in dieser Richtung weiter.

 

Entsprechend skeptisch reagierte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Mittwoch auf Überlegungen der Bundesregierung, kostenlos öffentlichen Nahverkehr anzubieten: „In Stuttgart und in der Region sind die Bahnen und Busse voll. Der Bund muss im ersten Schritt mehr Investitionen für den Ausbau zur Verfügung stellen und im zweiten helfen, die Fahrpreise zu senken.“ Konkret würde das bedeuten: „Wenn wir allein bei den SSB die dringenden Maßnahmen, die im Falle eines kostenlosen Nahverkehrs nötig sind, umsetzen, so belaufen sich die Gesamtinvestitionen auf rund 500 Millionen Euro in den nächsten Jahren“, betonte der Rathauschef. Die Kosten für Ausbaumaßnahmen in der Region seien da noch nicht eingerechnet.

VVS nimmt 533 Millionen durch Ticketverkäufe ein

Allein bei den SSB beziffert Kuhn die Ticketeinnahmen aktuell auf rund 237 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt liegen sie im VVS-Bereich bei 533 Millionen Euro.

Kuhns Empfehlung an die Bundesregierung: „Wir kämpfen mit allen möglichen Mitteln gegen die Schadstoffbelastung in unserer Stadt. Für Stuttgart würde kurzfristig am meisten die Einführung einer Blauen Plakette helfen.“

Vor allem im Berufsverkehr sind die Kapazitäten der unterirdischen Hauptverkehrsstrecken von S- und Stadtbahn in der Innenstadt weitgehend ausgelastet. Dennoch wird der Fuhrpark weiter ausgebaut. Mit zehn weiteren S-Bahn-Einheiten und 20 neuen SSB-Stadtbahnwagen können mehr längere Züge eingesetzt werden. Für die Straße gibt es mehr Gelenk- als Standardbusse. Hinzu kommen Expressbuslinien und Verstärkungslinien der Stadtbahn wie die U 19 (Neugereut–Neckarpark) und die U 16 (Fellbach-Giebel). Und – wo es geht – eine Verdichtung der Zugfolgen.

Arnold fordert Ausbau der Kapazitäten

Wolfgang Arnold, Vorstandssprecher der SSB, sagt : „Mit der U 12 haben wir mit den 80-Meter-Zügen die Kapazitäten für den Talquerverkehr deutlich erhöht. Das wird gut angenommen. Tallängs geschieht dies als nächstes mit der U 1, wenn alle Voraussetzungen dafür geschaffen sind.“ Mittel- und langfristig wird in der SSB-Denkfabrik sogar mit 120-Meter-Zügen gefahren, also mit drei Fahrzeugen.

Wer kostenlosen Nahverkehr fordert, um damit den Autoverkehr zu vermindern, müsse laut Arnold eines bedenken: „Die Voraussetzung dafür ist, dass das Leistungsangebot stimmt. Das bedeutet: Das Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr muss attraktiv und die Kapazitäten dafür müssen vorhanden sein.“

Günstig war es im Jahre 2016, an Feinstaubalarmtagen mit dem VVS unterwegs gewesen zu sein. Erwachsene konnten mit einem Kinder-Einzelticket unterwegs sein. 35 Prozent mehr Tickets wurden an diesen Tagen verkauft, insgesamt wurden fünf Prozent mehr Fahrgäste befördert. Dafür ging der Verkauf von Vierer- und von Tagestickets zurück. An 85 Tagen war dies möglich im Winter 2016/2017. Am Ende standen elf Millionen Euro weniger Einnahmen, den Ärger bei den Stammkunden mit Wochen-, Monats- und Jahresabos nicht eingerechnet. Aber signifikant weniger Autos auf den Straßen konnte niemand feststellen. In dieser Feinstaubalarm-Periode bietet der VVS vergünstigte Tagestickets. Wie sie nachgefragt werden, ist noch nicht bekannt.