Ganze drei Tage hat der Koalitionsfrieden gehalten. Aber jetzt entzweit die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, die Kanzlerin und ihren Innenminister.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn dass Wörtchen „nicht“ nicht wäre, dann wären die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr neuer Innenminister Horst Seehofer (CSU) sich völlig einig. Aber wegen dieses einen Wörtchens schlagen die Wellen in der schwarz-roten Koalition hoch – nur drei Tage nachdem die Bundesregierung offiziell ihre Arbeit aufgenommen hat. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, hat Seehofer im Interview mit der „Bild“-Zeitung wissen lassen. „Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland“, fügte er hinzu. Die Kanzlerin dagegen bekräftigte Stunden später bei einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven ihre alte Position, dass der Islam wohl zu Deutschland gehöre. „Inzwischen leben vier Millionen Muslime in Deutschland“, erklärte Angela Merkel. „Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam.“

 

Die Sprecher sehen keine Probleme

Damit trägt die frisch installierte Koalition ihren ersten öffentlichen Krach aus. Für Merkels Sprecher Steffen Seibert und seinen Kollegen aus dem Innenministerium, Johannes Dimroth, war das die erste Gelegenheit in der neuen Regierung, sich in einer altbekannten Disziplin zu üben: dem Eiertanz. Merkel betrachte den Islam als zugehörig zu Deutschland und Seehofer tue dies nicht. Aber das, so versicherten die beiden mit treuherziger Miene den verdutzen Zuhörern, mache eigentlich gar nichts aus. „Worauf es ankommt, ist unsere Politik“, erklärte Seibert, und da sei sich die gesamte Bundesregierung einig. Ziel sei ein harmonisches Verhältnis der verschiedenen Glaubensrichtungen, dazu brauche es immer wieder Austausch und gegenseitigen Respekt. Dies sei auch dem Interview Seehofers zu entnehmen.

Strobl reagiert genervt und die neue Migrationsbeauftragte wird deutlich

Die Frage, ob seine Chefin Seehofers Einlassungen hilfreich gefunden habe, beantwortete Seibert nicht. Aber das musste er auch nicht, denn die Bewertung der Integrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz war deutlich genug. „Solche Sätze bringen uns nicht weiter. Sie liefern keinen Beitrag zur Lösung der Herausforderungen, vor denen wir stehen“, erklärte Widmann-Mauz auf Anfrage. „Mir geht es darum, dass wir uns konkret mit der Lebenssituation der Menschen in unserem Land beschäftigen und den Zusammenhalt stärken. Darüber brauchen wir eine sachliche Debatte.“ Auch bei seinem Stuttgarter Innenministerkollegen Thomas Strobl erntete Seehofer Unverständnis. „Wie kann man einen so komplizierten Sachverhalt in einen so kurzen Satz pressen?“, fragte der entnervt. In Strobls Augen gehört nur der radikale, gewaltbereite „Islamismus, Salafismus, islamistisch motivierter Terror natürlich nicht zu Deutschland.“

Beifall erhält Horst Seehofer allein vom rechten Flügel der AfD

Seehofers Äußerungen lösen vor allem in der Union Unmut aus. Nach dem jahrelangen Streit und den daraus folgenden Belastungen im Wahlkampf, hatten die Schwesterparteien sich viel auf die nach der Bundestagswahl gefundene gemeinsame Linie in der Migrations- und Integrationspolitik so viel zu Gute gehalten. Jetzt hat sich gezeigt, dass das Ende aller internen Auseinandersetzung bei dem Thema eben nicht erreicht ist. Die SPD reagierte vergleichsweise gelassen. „Seehofer glaubt wohl, damit im Bayern-Wahlkampf punkten zu können“, sagte die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles der „Rhein-Neckar-Zeitung“ mit Blick auf die weiß-blaue Landtagswahl im Oktober. „Das ist eine acht Jahre alte Debatte, die innerhalb der Union immer noch geführt wird, aber niemanden weiterbringt.“ Auch der innenpolitische Sprecher Burkhard Lischka warf Seehofer vor, „uralte Debatten aufzuwärmen“. Der Minister solle lieber „die Ärmel hochkrempeln. Ich denke da an mehr Bundespolizei in der Fläche, einen beherzteren Einsatz bei der Bekämpfung der organisierten Einbruchskriminalität oder an ein Sofortprogramm für sozialen Wohnungsbau.“

Auf die AfD meldet sich zu Wort

Natürlich meldete sich bei diesem Thema die Alternative für Deutschland zu Wort. Beifall klatsche Seehofer der AfD-Rechtsaußen André Poggenburg. Alexander Gauland, Fraktionschef der Rechtspopulisten, erklärte, Seehofer und die CSU „rennen uns lediglich hinterher und sind Merkels Steigbügelhalter einer gescheiterten Politik“.

Ansonsten eckte er auch in der Opposition an. FDP-Chef Christian Lindner nannte die Debatte überflüssig. „Kaum im Amt, präsentiert sich Horst Seehofer wirklich wie der Direktor eines Heimatmuseums, der keinen Gedanken an die Zukunft oder Gegenwart verschwendet, sondern in der Vergangenheit lebt“, wetterte Linksparteichef Bernd Riexinger. „Seehofer angelt im Teich der AfD, das geht immer schief. Statt Wähler für die CSU an Land zu ziehen, landet man selber im braunen Sumpf.“

Özdemir zieht Seehofers Verfassungstreue in Zweifel

Für den Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir ist jetzt die Frage aufgeworfen, ob Horst Seehofer eigentlich zu Deutschland gehört. „In Wirklichkeit geht es doch darum, dass alle, die in Deutschland leben, sich ohne jedes Wenn und Aber an das Grundgesetz halten und sich zur liberalen Demokratie bekennen“, betonte er. Das Interview weckt bei Özdemir Zweifel an Seehofer: „Eine kulturalistische Betrachtung, die Menschen nach Religionszugehörigkeit sortiert, passt ins AfD-AKP-Bild, aber nicht zu Aufklärung und westlicher Demokratie, also kurz: zu uns.“