Erst Karlsruhe, nun Esslingen: auch dort hat das Landratsamt den Krankenfahrdienst Schwaben im Visier. Die Turbulenzen um gekündigte Unternehmen beschäftigen derweil auch den Landtag.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der landesweit tätige Krankenfahrdienst (KFD) Schwaben steht wegen möglicher Regelverstöße unter verschärfter Aufsicht. Beim zuständigen Landratsamt Esslingen ist das Unternehmen mit Sitz im Kreis „mehrfach negativ aufgefallen“, wie ein Sprecher sagte. „Wir beobachten dies mit hoher Sensibilität.“ Derzeit lägen die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Entzug der Konzession nicht vor. Wenn die Genehmigung nächstes Jahr zur Verlängerung anstehe, würden „alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte mit einbezogen“. Welche Vorfälle die Aufsichtsbehörde im Einzelnen im Blick hat und wie darauf jeweils reagiert wurde, sagte der Sprecher nicht. Dabei verwies er auf Vorgaben des Datenschutzes.

 

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass das Landratsamt Karlsruhe den in Kronau ansässigen KFD Rhein-Neckartal im Visier hat. Man habe wiederholt Hinweise auf Regelverstöße erhalten und diese aufgearbeitet, sagte ein Sprecher. Als Konsequenz seien Beschäftigte belehrt, Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten angestrengt und Bußgelder verhängt worden. Zudem sei geprüft worden, dem Fahrdienst die Genehmigung zu entziehen.

Am Mittwoch Thema im Sozialausschuss

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt gegen Verantwortliche des – namentlich nicht genannten – Fahrdienstes wegen des Verdachts auf Betrug. Es geht um möglicherweise falsche Abrechnungen zu Lasten der Krankenkassen. Entgegen den Vorschriften seien mehrere Personen gleichzeitig in einem Liegetaxi transportiert worden, hieß es. Der KFD Schwaben nimmt zu den Vorwürfen auf Anraten seines Anwaltes derzeit keine Stellung. Zuvor hatte das 2011 gegründete Unternehmen darauf hingewiesen, man habe insgesamt etwa eine halbe Million Menschen ohne größere Zwischenfälle transportiert.

Die Turbulenzen um die baden-württembergischen Fahrdienste, die vom Verband der Ersatzkassen (VDEK) wegen Beschwerden und Regelverstößen gekündigt worden waren, beschäftigen an diesem Mittwoch auch den Landtag. Im Sozialausschuss wird über die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion beraten. Der Abgeordnete Rainer Hinderer hatte diese als unzulänglich gerügt. Die Ermittlungen in Karlsruhe zeigten erneut, „wie dringend an dieser Stelle Handlungs- und Regelungsbedarf besteht“, sagte er unserer Zeitung.

Sozialminister Lucha weiß vieles nicht

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) lässt in der mit den Ressorts für Inneres und Verkehr abgestimmten Stellungnahme viele Fragen offen. So sei „nicht bekannt“, wie viele Krankenfahrten es in den Jahren 2017 und 2018 im Südwesten gegeben habe. Man habe nur bundesweite Zahlen für das vergangene Jahr: von 51,7 Millionen „Leistungsfällen“, also Rettungsfahrten oder Krankentransporten, seien danach 38,3 Millionen auf Taxi oder Mietwagen entfallen. Auch zu den Wartezeiten könne man nichts sagen, da diese nicht dokumentiert würden. Das Ministerium beaufsichtige zudem nur die „landesunmittelbaren“ Krankenkassen, nicht aber die bundesweit agierenden Ersatzkassen. Gleichwohl habe man vom VDEK eine Stellungnahme eingeholt.

Danach hätten laut Lucha viele Krankenfahrten eigentlich als Krankentransporte mit strengeren Vorgaben durchgeführt werden müssen. In den Liegetaxis seien „fast ausschließlich Patienten“ befördert worden, die während des Transports Hilfe benötigt hätten – wegen Infektionen, Beatmung oder Lähmungen. Die für die Verordnung zuständigen Ärzte entschieden offenbar „nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt“.

SPD-Mann mit Antwort unzufrieden

Das Innenministerium geht nach der Antwort davon aus, dass trotz der Kündigung der Fahrdienste künftig genügend Kapazitäten für Krankentransporte vorhanden sind. Dazu seien die Vergütungen für die Rettungsdienste bereits erhöht worden. Nicht alle Krankenfahrten könnten künftig jedoch als Krankentransport durchgeführt werden; dies würde „dem Rettungsdienst wichtige Ressourcen entziehen“. Für den SPD-Mann Hinderer bleibt damit offen, wie die fehlenden Kapazitäten kompensiert werden sollen.