Die Prognose seines Vorgängers ist obsolet: Der neue Landrat Richard Sigel rechnet auch nach einer Konsolidierungsphase mit einem dauerhaften Defizit der Rems-Murr-Kliniken. Angepeilt werden fünf bis zehn Millionen Euro pro Jahr.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Von schön- oder gar unseriös gerechnet will Marc Nickel nicht sprechen, wohl aber, dass vor der Abstimmung über einen Krankenhausneubau in Winnenden offenkundig alles getan wurde, um die künftige Entwicklung der Rems-Murr-Kliniken „so gut wie möglich abzubilden“. Seinerzeit war in Prognoserechnungen versprochen worden, dass die Krankenhäuser einst so viel Gewinn abwerfen würden, dass sich der Bau des umstrittenen neuen Krankenhauses refinanzieren würde. Davon gehen heute weder der vor einem halben Jahr engagierte Klinikgeschäftsführer Nickel noch der weniger als hundert Tage amtierende Landrat Richard Sigel mehr aus.

 

Mindestens fünf bis zehn Millionen pro Jahr

Schon in seiner Haushaltsrede am Montag hatte Sigel, wie berichtet, anklingen lassen, dass er davon ausgehe, dass die Rems-Murr-Kliniken auf Dauer einer finanziellen Unterstützung des Kreises bedürften. Am Mittwoch hat er dies in einer Pressekonferenz konkretisiert: Auch nach einer Konsolidierung der Kliniken – man hofft, vom Jahr 2019 an im laufenden Betrieb eine „schwarze Null“ schreiben zu können – werde der Landkreis seinen Krankenhäusern jährlich „fünf bis zehn Millionen Euro“ zuschießen müssen. Mindestens so viel Geld wird nötig sein, um den Neubau abtragen zu können.

Dieser Prognose ist eine komplette Neubewertung der Sachlage vorausgegangen. „Wir haben erst einmal Ordnung schaffen müssen“, räumt der Krankenhausdirektor Nickel ein. So habe man die ursprünglich buchhalterisch auf 50 Jahre festgelegte Nutzungsdauer reduziert. Der Wert war nach Ansicht von Nickel viel zu hochgegriffen gewesen: „Man kann davon ausgehen, dass ein Krankenhaus bereits nach 33 Jahren abgeschrieben sein sollte“, sagt Nickel. Mit dem Landkreis habe man sich nun in einem Kompromiss darauf geeinigt, 40 Jahre anzusetzen.

Das und weitere Umbewertungen, etwa von offenen Forderungen, habe zur Folge, dass der ursprünglich mit rund 32,5 Millionen ausgewiesene Verlust im Jahresabschluss von 2014 nun um knapp vier Millionen Euro angewachsen ist. Ein solcher Ansatz wiederum hätte zur Folge gehabt, dass die Kreisumlage für das kommende Jahr „ins unermessliche angewachsen“ wäre, wie der Landrat sagt. Der Kämmerer Frank Geißler hat einen Wert von 43,1 statt der jetzt angepeilten 39.9 Prozent errechnet.

Buchhalterischer „Trick“

Beholfen hat man sich deshalb mit einem buchhalterischen „Trick“, der wie Marc Nickel betont, im Rahmen „völlig legaler Ermessensspielräume“ liege: Die bisher auf das Ergebnis der Folgejahre aufgerechneten Bauleitzinsen werden jetzt aktiviert und dem Neubau zugeordnet – was das Defizit im Jahr 2014 auf „nur noch“ 27,8 Millionen Euro sinken lässt. Das freilich schlägt sich nun an anderer Stelle nieder: Die Neubaukosten, zuletzt mit maximal 295,8 Millionen Euro budgetiert, werden jetzt mit 316,3 Millionen beziffert.

Man habe sich um eine vorsichtigere Bewertung bemüht, betont der Landrat. Man wolle nur das versprechen, was man auch einhalten könne, betont der Klinikgeschäftsführer: „Der neue Kurs ist, reinen Wein einzuschenken und auch brutale Wahrheiten offen zu legen.“ Eine solche ist beispielsweise auch, dass sein Vorgänger bei der Etatplanung für das aktuelle Jahr offenkundig ziemlich daneben gelegen hat. Man werde den Ansatz der Sachkosten wohl um rund zehn Millionen Euro nach oben korrigieren müssen, räumt Nickel ein.

Unabhängig davon gebe es aber viel Positives zu berichten, betont der Geschäftsführer. Die aktuelle Entwicklung der Kliniken sei hervorragend, in Winnenden verzeichne man ein Wachstum von 17 Prozent. Weil alles mit annähernd gleichem Personal geleistet werde, sei die Produktivität enorm gesteigert, die sogenannte Personalkostenquote von 80 auf 74,3 Prozent gesenkt worden. Bei allen Anstrengungen sei der Betriebsfrieden gewahrt worden, behauptet Nickel – seinen eigenen Angaben zufolge eine wichtige Prämisse in seinem Sanierungskonzept.

Der Druck freilich wird nicht geringer. „Wir werden langfristig zu unseren Kliniken stehen“, verspricht zwar der Landrat, aber: „Die schwarze Null reicht nicht aus.“ Rund 19 Millionen Euro müssen Jahr für Jahr zum Abtrag der Neubauschulden überwiesen werden, dies soll auf Dauer nicht komplett vom Konto des Kreishauses abgehen. Aktuell werden laut dem Landrat mehr als fünf Prozent der Kreisumlage in die Kliniken investiert. „Das Ziel ist, auf ein bis zwei Prozent runterzukommen.“