Nicht nur im Krankenhaus Bad Cannstatt, auch in anderen Kliniken der Landeshauptstadt sind im vergangenen Jahr hochresistente Erreger festgestellt worden. Das Problem wächst.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Patienten im städtischen Krankenhaus in Bad Cannstatt, bei denen der hochresistente Erreger Acinetobacter baumannii festgestellt wurde, sind noch immer auf der Intensivstation. Obwohl drei der vier Betroffenen nach Hause oder in eine Reha-Einrichtung verlegt werden könnten. Doch es ist für die Krankenhäuser nicht einfach, für solche Patienten Einrichtungen zur Nachsorge oder Pflege zu finden. Dabei kommen Erreger wie diese in den Krankenhäusern häufiger vor als man meint.

 

So hat das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt im Vorjahr aus Stuttgarter Krankenhäusern 23 Meldungen sogenannter 4-MRGN-Erreger registriert, die resistent sind gegen die vier Hauptgruppen von Antibiotika. Die gilt für die Keime Acinetobacter baumannii, Klebsiella, Enterobacter und Escherichia coli. Dieses Jahr wurde bisher drei Acinetobacter-Fälle gemeldet.

Kliniken reagieren mit vermehrten Tests

Im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) wurde der Erreger im Vorjahr bei drei Patienten festgestellt, im Marienhospital waren es fünf. In allen Fällen waren die Betroffenen von diesem besiedelt, aber nicht infiziert, wie in Bad Cannstatt. Hier aber fand eine Übertragung des Keims, den man durch vorsorgliches Screening bei dem Betroffenen festgestellt hatte, auf andere Patienten statt. „Eine solche Kette hatten wir noch nie“, sagt Matthias Trautmann, der Chefhygieniker des städtischen Klinikums. Wie es dazu kommen konnte, ist noch nicht geklärt.

„Das nimmt zu“, sagt Mark Dominik Alscher, der ärztliche Direktor des RBK, zum Thema hochresistente Keime. Nicht zuletzt, weil die Zahl der älteren, häufig sehr geschwächten Patienten in den Kliniken wächst. Personen mit gutem Immunsystem sind weit weniger anfällig. Die Häuser tun inzwischen einiges, um das Problem einzugrenzen. So hat das RBK im Vorjahr 5,5 Prozent der Patienten einem 4-MRGN-Screenigung unterzogen. In der Lungenklinik Schillerhöhe, wohin viele Patienten aus anderen Häusern verlegt werden, betrug die Rate 6,4 Prozent. „In der Intensivstation machen wir wöchentlich ein Screening aller Patienten“, sagt Michael Torzewski, der am RBK die Labormedizin leitet.

Übergang ins Pflegeheim als Problem

Ähnlich äußert sich Matthias Trautmann: „Wir sind sehr vorsichtig und gehen breitflächig vor, insbesondere wenn Patienten aus anderen Krankenhäusern auf unsere Intensivstationen kommen.“ Neben älteren Menschen aus Pflegeheimen haben die Kliniken weitere Risikogruppen im Blick. Wer in einem südeuropäischen Land im Krankenhaus war, etwa in Italien, Griechenland oder Spanien, aber auch in der Türkei oder im Nahen und Mittleren Osten, wird getestet. „In manchen Ländern liegen die Resistenzraten 20 mal so hoch wie in Westeuropa“, sagt Matthias Orth, Chefarzt der Labormedizin im Marienhospital. Zwei der fünf MRGN-Fälle, die man mit einem Test identifiziert hat, kamen aus Südeuropa.

Bei einem positiven Befund gilt: Die betroffenen Patienten werden isoliert, das Personal betreut diese nur noch mit Einmalkittel, Mundschutz und Handschuhen, danach findet eine systematische Desinfektion statt. Aber was, wenn der Patient entlassen werden könnte? „Das ist ein großes Problem, weil Pflegeeinrichtungen diese häufig ablehnen“, sagt Mark Dominik Alscher. Aber auch für diese gelte, dass man mit solchen Keimen eben zurecht kommen müsse.

MRSA-Keime nehmen ab

Um ein besseres und professionelleres Miteinander zu erreichen, gibt es in Stuttgart das sogenannte MRE-Netzwerk, in dem unter anderem Kliniken, Pflegeheime, Ärzteschaft und Rettungsdienste vertreten sind. Martin Priwitzer vom städtischen Gesundheitsamt würde sich aber wünschen, dass auch private Pflegedienste und private Krankenfahrdienste sich an dem Informationsdienst noch stärker beteiligen.

Dass man auch mit dem Problem multiresistenter Keime zurechtkommen kann, zeigt das Beispiel MRSA, die vor etlichen Jahren für Schlagzeilen sorgten. Hier gibt es klare Vorgaben für das Patientenscreening, man hat Konzepte, wie die Erreger auch beseitigt werden können und auch für die Betreuung der Patienten im Heim. In der Klinik Schillerhöhe liegt die Screeningrate bei 41 Prozent aller Patienten, im Marienhospital sogar bei fast 66 Prozent. Von diesen seien 0,6 Prozent positiv, sagt Matthias Orth. Beim MRSA-Erreger stelle man „einen gewissen Rückgang fest“, so Michael Torzewski.