Die 1941 gebauten Schutzräume unter dem jetzt vom Gesundheitsamt genutzten Gebäude in Stuttgart sind erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Interesse war groß.

Stuttgart - Drei Jahre hat die Sanierung und der Umbau der ehemaligen Stuttgarter Frauenklinik an der Schlossstraße gedauert. Seit März kann das Gesundheitsamt das denkmalgeschützte Gebäude – in dem auch eine dreigruppige Kita untergebracht ist – nun vollumfänglich nutzen. Mit einem Tag der offenen Tür hat sich das Gesundheitsamt am Samstag erstmals mit all seinen Abteilungen der Öffentlichkeit präsentiert. „Unsere Arbeit findet oft im Verborgenen statt“, sagt Stefan Ehehalt, der Leiter des Stuttgarter Gesundheitsamtes. Um den Bürgern die Möglichkeit zu bieten, das Aufgabenspektrum des Gesundheitsamtes zu zeigen, wurden sämtliche Bereiche – inhaltlich wie räumlich – vorgestellt. Und die Besucher kamen in großer Zahl. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Zuspruch“, so Ehehalt.

 

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Als Besuchermagnet erwies sich auch, dass erstmals der Bunker der ehemaligen Frauenklinik geöffnet worden ist. Mitglieder des Vereins Schutzbauten Stuttgart stellten bei Führungen den Bunkertrakt unter dem Krankenhausbau vor. „Der Bunker wurde in dem 1927 als Frauenklinik erbauten Gebäude 1941 infolge des Führersoforterlasses angelegt“, erklärte Jochen Schmaus, der mit anderen Vereinsmitgliedern durch die unterirdischen Räume führte, die vor 77 Jahren angelegt worden waren.

Interesse der Besucher deutlich höher als erwartet

Das Interesse an den Führungen war so enorm, dass mehr Führungen als geplant angeboten wurden, „weil die Gruppen sonst zu groß gewesen wären“, wie der Vereinsvorsitzende Rolf Zielfleisch erklärte. Der Verein kümmert sich seit Jahren um den Erhalt, die Pflege und die Geschichte der Weltkriegs-Schutzbauten in der Landeshauptstadt. „Wir sind vom Gesundheitsamt angefragt worden, ob wir die Führungen anbieten möchten. Die Entscheidung, den Bunker zu öffnen, war absolut richtig: das ist ein echter Besuchermagnet“, so Zielfleisch. Gerne würde er Besuchern auch in Zukunft bei Führungen durch den Bunker ermöglichen, ein Stück weit in die Vergangenheit des Gebäudes einzutauchen. Ehehalt kann sich ebenfalls gut vorstellen, den Bunker auch künftig wieder für Besucher zu öffnen. „Wir sind aber nur Mieter, das müssen wir natürlich mit der Stadt als Eigentümerin abstimmen.“

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Der Bunker bot bei Luftangriffen Schutz für das Gros der Patienten und die Mitarbeiter, wie Jochen Schmaus erläuterte. Das Krankenhaus war einst für 161 Patientinnen sowie 60 Ärzte und Pflegekräfte ausgelegt. Neben Krankenzimmern fand sich ein Untersuchungs- und Geburtszimmer sowie ein Röntgenraum im Bunker, der einst über zwei Zugänge verfügte, von dem heute nur noch einer existent ist. Außerdem gab es einen Raum für die Sterilisation von OP-Besteck, eine Technikzentrale, Sanitär-, Personal- und Abstellräume. Und auch über eine Heizung verfügte der Bunker, wie Schmaus auf Nachfrage erläuterte. Diese sei aber wohl kaum genutzt worden, „denn wenn hier mal rund 200 Personen drin sind, dann wird es schnell recht warm“.

Ein komplettes Krankenhaus im Untergrund

Um den Besuchern einen besseren Eindruck davon zu vermitteln, wie sich die Nutzer dort einst gefühlt haben, hatte Zielfleisch mit Vereinskameraden die Räume teils mit originalen Gegenständen aus der Kriegszeit ausgestattet. So begrüßten eine Trage, Gasmasken und Helme die Besucher im Eingangsbereich, ein Stuhl zur gynäkologischen Untersuchung - „der vermutlich auch bei Geburten zum Einsatz kam“, so Schmaus – war ebenso zu sehen wie eine OP-Liege mit nebenstehendem Schüsseln aus Emaille oder einem Infusionsständer.

Schmaus machte auch auf die technischen Besonderheiten des Bunkers aufmerksam. So herrschte im Inneren des Bunkers, der über ein eigenes Lüftungssystem verfügte, ein ständiger Überdruck, um eine Kontamination zu verhindern, falls in der Luft außerhalb Giftstoffe enthalten gewesen wären. Beeindruckend für die Besucher zudem: Teile der Decken und Wände sind mit fluoreszierender Farbe gestrichen, die bis heute beim Erlischen des Lichtes für eine Grundhelligkeit sorgt.

Wände leuchten bis heute im Dunkeln

Die Wasserversorgung wurde über einen eigenen Brunnen gewährleistet, die Stromversorgung bei Bedarf über ein Notstromaggregat.

„Meine Schwiegermutter musste in einer Nacht 13 Mal in den Bunker runter“, erinnerte sich Ehrenfried Dressner an Schilderungen seiner Schwiegermutter von der Geburt seiner Schwägerin. Diese erblickte in der Stuttgarter Frauenklinik 1943 inmitten des Zweiten Weltkriegs das Licht der Welt während Stuttgart immer wieder von Luftangriffen erschüttert wurde.