Wichtiger Schritt im Ringen um die Krankenhausreform: Das Großvorhaben hat das Bundeskabinett passiert und kann nun in den Bundestag eingebracht werden.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann auch sarkastisch sein. Am Mittwoch wurde er nach den vielen Einwänden gegen seine Krankenhausreform gefragt. Ein tiefes ministerielles Seufzen war die Antwort. Ja, es gebe ein „ausgeprägtes Bedenkenträgertum“ in Deutschland. Was immer man mache, „von morgens bis abends“ kämen Bedenken. „Wenn ich nach Bedenken bezahlt würde, wäre ich ein reicher Mann.“

 

Dabei war er ja eigentlich in die Bundespressekonferenz gekommen, um Bedenken zu zerstreuen. Für ihn war der Mittwoch kein schlechter Tag. Der Gesetzentwurf seines größten Reformprojekts hat das Bundeskabinett passiert und kann nun ins Parlament kommen. Noch vor der Sommerpause soll die erste Lesung stattfinden.

„Mehrere zehntausend Menschen würden überleben...“

Er nutzte den Gang vor die Presse, um erneut für sein Großvorhaben zu werben. Die Botschaft: Das deutsche Klinikwesen kann nicht bleiben, wie es ist. Es gebe mit 1700 Häusern – die Hälfte davon mit unter 170 Betten – zu viele Standorte. Dafür gebe es weder den Bedarf, schließlich stehe jedes dritte Bett leer, noch die Finanzmittel und erst recht nicht das Personal. Da die Häuser sich vor allem aus den Fallpauschalen finanzierten, wagten sich zu viele kleine Häuser mit wenig Erfahrung an zu komplizierte Operationen. „Mehrere zehntausend Menschen würden überleben, wenn ihre Behandlung in spezialisierter Versorgung stattfinden würde, also in Zentren, in denen genügend Erfahrung und Expertise vorhanden ist“, sagte Lauterbach.

Die Reform will die negativen Folgen der Ökonomisierung vor allem durch zwei Maßnahmen durchbrechen: Die Bedeutung der Fallpauschalen in der Klinikfinanzierung soll erheblich reduziert werden. Deshalb soll das Budget künftig zu 60 Prozent über Vorhaltepauschalen gesichert werden, die unabhängig von der Zahl der durchgeführten Behandlungen und Eingriffe fließen. Künftig sollen Kliniken nur die Leistungen anbieten, für die sie ausreichend medizinische Erfahrung, Personal und Technik nachweisen können. Das sind die Voraussetzungen, damit eine Klinik eine entsprechende Leistungsgruppe durch das Bundesland zugewiesen bekommen kann. Und nur dann kann diese Leistung abgerechnet werden. Das soll zu mehr spezialisierten Zentren und zu erhöhter Qualität führen.

Geschlossene Länderfront gegen Lauterbach

Lauterbach hat den Gesetzentwurf so ausgestaltet, dass er im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Das kann man als Ausbootung der Länder verstehen. Die sind deshalb, unabhängig von der Zusammensetzung der Landesregierungen, extrem verärgert. Ihnen geht es aber nicht nur um die formale Beteiligung über den Bundesrat. Sie tragen auch eine Reihe von inhaltlichen Kritikpunkten vor. Sie sehen die Finanzierung der kleinen Häuser im ländlichen Raum unzureichend gesichert und verlangen vom Bundesministerium eine belastbare „Auswirkungsanalyse“ der Reform auf die Klinikfinanzen.

Lauterbach antwortete am Mittwoch auf die geschlossene Länderfront mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Man werde Anregungen der Länder in den kommenden parlamentarischen Beratungen berücksichtigen, kündigte er an. Bei den Ländervorschlägen zur Entbürokratisierung und einer verstärkt ambulanten Behandlung „wird sich der Bund bewegen“, sagte Lauterbach. Es werde unmittelbar eine Einladung zu Gesprächen herausgehen, die innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden könnten. Aber der Minister markierte auch eine Grenze: „Vom Qualitätsziel werden wir nicht abgehen.“ Große Änderung beim Thema Leistungsgruppen wird es also nicht mehr geben.

Offene Drohung mit einer Verschleppungstaktik

Er widersprach den Befürchtungen, dass vor allem Kliniken im ländlichen Raum verschwinden würden, schließlich werde es zusätzliche Zulagen für eine Reihe von Leistungen geben, etwa bei der Geburtshilfe, der Kinderheilkunde und der Notfallversorgung. Und eine Auswirkungsanalyse könne erst dann ein Fundament haben, wenn klar sei, wie die Länder die Leistungsgruppen zuteilen werden. Erst dann lasse sich klar bestimmen, welche Effekte entstehen werden.

Sehr fraglich allerdings, ob sich die Länder so einfach beschwichtigen lassen. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) fährt schweres Geschütz auf. Nicht nur, dass er den Weg nach Karlsruhe ausdrücklich offen lässt, um die Mitspracherechte der Bundesländer klären zu lassen. Er droht auch offen mit einer Verschleppungstaktik im Bundesrat. Das Gremium kann das Projekt zwar nicht durch ein Votum stoppen, aber im Vermittlungsausschuss auf die lange Bank schieben. Wenn Lauterbach stur bleibe, lande die Reform im Vermittlungsausschuss, stellt Lucha klar. Und es sei sehr fraglich, ob der Minister „ein gemeinsames Vermittlungsergebnis in seiner Amtszeit als Minister noch erleben“ werde.