Barack Obama kann seine Versprechen bei der Neuordnung der Krankenversicherungen nicht einhalten. Der Widerstand in den eigenen Reihen wächst. Die Gesundheitsreform wird zum Desaster.

Mehr als 30 Millionen Amerikaner sollen erstmals in ihrem Leben eine Krankenversicherung bekommen. So lautet der Plan von Barack Obama. Doch gewaltige Computerprobleme und widerspenstige Versicherungsunternehmen behindern den Start von Obamacare, dem wichtigsten innenpolitischen Projekt des Präsidenten. Inzwischen wächst selbst im Lager von Obamas Demokraten der Widerstand. Der Präsident, der nach den Enthüllungen über die NSA-Spitzelei international an Ansehen verloren, steckt nun auch daheim in einer Vertrauenskrise.

 

Die Zahlen sind miserabel. Seit dem 1. Oktober haben sich nur gut 100 000 US-Bürger entschlossen, eine Krankenversicherung abzuschließen. Erwartet wurden aber 500 000 Verträge, um bis Ende März 2014 die Zielmarke von sieben Millionen Neuversicherten zu erreichen. Hauptursache für das geringe Echo sind technische Probleme mit der Online-Plattform, auf der Anträge für eine Versicherung gestellt werden können.

Das Weiße Haus hatte nach den ersten Meldungen über die Computerprobleme noch erklärt, der Ansturm auf die Webseite sei einfach zu groß. Mittlerweile räumt die Regierung aber ein, dass die Software fehlerhaft ist. Das Programm soll nun bis Ende November repariert werden. Allerdings mögen die Regierungstechniker nicht versprechen, dass dies auch gelingt.

Ein weiterer Grund für den geringen Zuspruch zu Obamacare liegt offenbar im Bruch eines Versprechens, das Obama immer wieder gegeben hat, seit seine Gesundheitsreform 2010 vom Kongress verabschiedet wurde. Obama sagte, wer bereits eine Krankenversicherung habe, für den werde sich nichts ändern. Viele verstanden dies als Zusicherung, in Zukunft keine höhere Prämien bezahlen zu müssen. Das aber hat sich als falsch erwiesen. Hunderttausende von Altverträgen – die republikanische Opposition spricht gar von Millionen – wurden in den vergangenen Tagen von Versicherungsgesellschaften gekündigt. Die alten Policen entsprechen nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben unter Obamacare, die mehr Leistung und weniger Eigenbeteiligung verlangen. Das lässt die Prämien steigen. Zudem wollen die Unternehmen offenbar potenzielle Verluste wettmachen, die entstehen könnten, weil sie künftig verpflichtet sind, auch Neukunden mit gesundheitlichen Vorbelastungen zu vergleichsweise niedrigen Prämien zu versichern.

Erst äußerte sich Obama wochenlang gar nicht zu dem Problem. Dann bat er die Amerikaner in einem Interview um Verzeihung. Am Donnerstag kündigte er schließlich an, dass Altkunden noch bis Ende 2014 von Veränderungen verschont bleiben sollen.

Der chaotische Start der Gesundheitsreform hat Obama die schlechtesten Popularitätswerte seiner bisherigen Amtszeit eingebracht. Nur noch gut 40 Prozent der Amerikaner sind laut Umfragen mit seiner Leistung zufrieden. Anfang des Jahres fand noch mehr als die Hälfte der Bürger, dass Obama eine gute Arbeit macht.

Die oppositionellen Republikaner reagieren mit unverhohlener Freude auf das Chaos. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, fordert, die gesamten Gesundheitsreformgesetze gehörten schleunigst in den Mülleimer. Diese Worte waren zu erwarten. Seit Jahren versuchen die Republikaner, Obamacare rückgängig zu machen. Anfang Oktober riskierten sie deswegen sogar den Staatsbankrott der USA und legten für einige Wochen die öffentliche Verwaltung lahm.

Gefährlicher für den Präsidenten ist der wachsende Widerstand seiner Demokraten gegen die Gesundheitsreform. Im Kongress wird demnächst wieder ein Gesetzentwurf debattiert, mit dem Obamacare abgeschafft werden soll. Die Demokraten werden dem zwar voraussichtlich nicht zustimmen. Doch so lange das Chaos nicht behoben ist, steigt bei diesen Abgeordneten die Sorge, dass sie bei den Teilwahlen zum Kongress im Herbst nächsten Jahres von den Wählern abgestraft werden.