Die Spanierin Beatriz Flamini hat freiwillig 500 Tage unter der Erde und praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt verbracht. Wie hat die 50-Jährige es so lange allein in einer dunklen Höhle ausgehalten?

Sie hatte bisher keine Ahnung vom Ukraine-Krieg und wusste auch nicht, dass die Corona-Pandemie vorbei ist. Die Spanierin Beatriz Flamini hat freiwillig 500 Tage in vollkommener Isolation unter der Erde gelebt – und zwar in einer circa 70 Meter tief gelegenen Höhle der südspanischen Provinz Granada. „Ich habe diese ganze Zeit mit niemandem gesprochen, nur mit mir selber“, sagte die 50 Jahre alte Bergsteigerin, Kletterin und Höhlenforscherin wenige Minuten nachdem sie am Freitag um 09.07 Uhr mit einem breiten Lächeln und unter großem Medienrummel aus dem Loch geklettert war.

 

„Ich werde euch schon erzählen, wie es da unten war (...) Aber wenn ihr es erlaubt, gehe ich jetzt erst mal duschen, denn ich habe seit anderthalb Jahren kein Wasser mehr angerührt“, sagte sie laut lachend vor den Kameras des staatlichen TV-Senders RTVE und anderer Medien, die stundenlang live aus der Costa Tropical in Granada berichteten. Nachdem sie wieder ans Tageslicht gekommen war, umarmte sich Flamini als erstes rund zehn Minuten lang mit Angehörigen und Freunden und auch mit Forschern, die das Projekt geleitet und begleitet haben. Die Frau war sichtlich bewegt, nicht nur bei ihr flossen Freudentränen.

Flamini, laut Medien eine „Elitesportlerin“, machte gesundheitlich und emotional einen guten Eindruck, obwohl sie zunächst etwas Schwierigkeiten hatte, das Gleichgewicht zu halten, wie sie einräumte. Entgegen der Empfehlung nahm sie bei strahlendem Sonnenschein nicht nur den Schutzhelm, sondern auch die dunkle Brille ab. In ihrem ersten kurzen Statement bezeichnete sie die Erfahrung als „ausgezeichnet, nicht zu übertreffen, nicht zu übertreffen!“.

Kein Kontakt zur Außenwelt

Das auf Video festgehaltene Projekt „Timecave“ wurde von Forschern verschiedener Disziplinen der Universitäten Granada und Almería geleitet und begleitet. Nach ihren Angaben hatte Flamini seit Beginn des Experiments im November 2021 überhaupt keinen Kontakt zur Außenwelt. Sie hatte unter anderem keine Uhr und kein Telefon. Sie verfügte über Strom und einen Laptop, mit dem sie zwar Information an die Außenwelt habe senden, aber nicht empfangen können.

Nach Angaben der spanischen Forscher hat Flamini den „Weltrekord“ der Italienerin Christine Lanzoni gebrochen, die 2007 genau 269 Tage in einer Höhle verbracht habe. „Das ist ein unvergesslicher Tag“, sagte der Höhlenforscher Paco Morales zu RTVE. „Beatriz ist mit einer unglaublichen Vitalität und Stärke da herausgekommen. Hut ab.“

Das Experiment löste in Spanien großes Aufsehen aus – und auch Stolz. „Toll, das sind unsere Frauen“, sagte die Rentnerin Rosa (82), die in einem Café in Madrid die RTVE-Übertragung verfolgte. Flamini wurde in Spanien zur Heldin des Tages. Sie und ihr Team wurden sogar von Mitgliedern der linken Regierung gelobt. Der Minister für Industrie, Handel und Tourismus, Hector Gómez, würdigte etwa den Mut der Frau.

Es sei nicht nur eine Mutprobe

Das Experiment war aber keineswegs nur eine „Mutprobe“. Die Forscher wollen die Auswirkungen der vollkommenen Isolation untersuchen und unter anderem ermitteln, ob diese zu neuropsychologischen und kognitiven Veränderungen geführt hat. Es soll auch eine Doku geben.

Doch wie war das Leben in der dunklen Höhle? Flamini hatte den Angaben zufolge dort ein Zelt. Das Team versorgte sie regelmäßig mit (insgesamt eineinhalb) Tonnen Lebensmitteln, Wasser, Kaffee und sonstiges Material, die in einer „Sicherheitszone“ hinterlassen wurden. Diese Zone wurde per Kamera rund um die Uhr überwacht. Flamini musste aus Sicherheitsgründen dort regelmäßig vorbeischauen, „damit wir sicher sein konnten, dass es ihr gut geht“, so Morales.

Was über ihren Alltag unter der Erde bekannt ist

In der Einsamkeit habe die Abenteurerin viel philosophiert, erzählte der Höhlenforscher. „Sie hat uns Videos geschickt, 60 Bücher gelesen, (...) sie hat Gedichte und Erzählungen geschrieben.“ Natürlich habe es auch mal schwere Momente gegeben. Auf einem der veröffentlichten Videos ist etwa zu sehen, wie Flamini die Hände verzweifelt vors Gesicht schlägt und sagt: „Was für ein furchtbarer Tag. Ich will nur die ganze Zeit weinen.“ „Aber sie hat viel Erfahrung, Überlebens-Erfahrung, und hatte deshalb alles gut im Griff“, betonte Morales.

In einer Pressekonferenz, die nur zweieinhalb Stunden nach Abschluss ihrer Ausdauerleistung stattfand, zeigte Flamini, dass sie auch nicht ichbezogen ist. „Ich tue das auch, weil ich denke, dass es dazu beitragen kann, zu helfen und (das Leben anderer Menschen) zu verbessern“. Sie habe viel gelernt und denke, dass sie nun „ein besserer Mensch“ sei. Die Erfahrung habe sie „genossen“, die Zeit sei wie im Flug vergangen. „Für mich waren das nur wie 160, 170 Tage.“

Wer nun meint, Beatriz Flamini habe nach 500 Tagen in absoluter Einsamkeit genug von Abenteuern, der irrt gewaltig. „Sie plant schon ihr nächstes Abenteuer“, verriet Höhlenforscher Morales.

Wie sah das Leben und das Ende der Isolation aus? Die Bilder über das besondere Projekt in unserer Bildergalerie.