Allenthalben Mord, Folter, Krieg, Kinderelend und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das schien schon einmal überwunden. Doch nun? Teufel und Beelzebub haben den Globus im Griff, meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Dachte man nicht, nun könnte es keine Kriege mehr geben? War man nicht überzeugt, mit Adolf Hitler und den Nazis wäre das Böse besiegt? Hatte man nicht die schaurigen Bilder und Filme gesehen, die um die Welt gingen, mit all den Leichenbergen, Folterstätten und Verbrennungsöfen in den Konzentrationslagern? Nie zuvor in der Geschichte hatte sich im Auftrag eines Staates, dazu säuberlich bürokratisch organisiert, Grauenvolles in solchem Ausmaß ereignet. Daran gab es keinen Zweifel. Es war ein unglaublicher Zivilisationsbruch, ausgegangen von einer hochzivilisierten und hochkultivierten Nation. Das blieb nicht ohne Folgen. Die Vereinten Nationen beschlossen eine Charta der Menschenrechte. Die Bundesrepublik Deutschland gab sich ein vorbildliches Grundgesetz. Die europäischen Nationen, die sich jahrhundertelang bekriegt hatten, schlossen sich mehr und mehr zusammen. Es sah so aus, als hätte die Menschheit etwas (aus ihren Fehlern) gelernt.

 

Doch nun, nicht einmal hundert Jahre später, ist das Böse zurück. In anderer Form, wie ein Springteufel, verteilt auf mehrere Zentren, grinsend, folternd, mordend, zerstörend, menschenfeindlich, mal religiös verkleidet, mal ideologisch, mal politisch. Mal heißt der Teufel Kim Jong-un, mal Recep Tayyip Erdogan, mal Baschir al-Assad, mal Islamischer Staat, mal Wladimir Putin. Wahrscheinlich müsste man auch Donald Trump hier einordnen, würden die Institutionen der amerikanischen Verfassung ihn nicht halbwegs im Zaum halten.

Nicht auszudenken, was dieser Präsident anstellen könnte, wäre er völlig von der Leine losgelassen. Man weiß also gar nicht mehr, wo man in seinem Entsetzen zuerst hinschauen soll. Es ist wie eine plötzlich ausgebrochene Epidemie, eine Menschheitskrankheit. Oder muss man sagen: eine Männerkrankheit? Bisweilen fängt es langsam an. Und der türkische Patient Erdogan ist geradezu ein Bilderbuch-Fall. Aus kleinsten Verhältnissen stieg er auf, was eine gute Voraussetzung ist, um mit dem steten Zuwachs an Macht am Ende größenwahnsinnig zu werden. Aber erst einmal war er ein Reformer, erfolgreicher Bürgermeister von Istanbul, dann ging es himmelwärts bis hin zum gottgleichen Regenten mit einem 1000-Zimmer Palast. So etwas hatte Ceausescu in Rumänien auch. Es gehört offenbar dazu – das Riesengebäude als Ausweis gigantischer Macht.

Wer so weit kommt, dem gestatten seine Parteifreunde und seine Wähler alles. Sogar wer lieber im Ausland lebt, bejubelt über Grenzen hinweg den Heiland Erdogan. Nichts lässt seine Anhänger an ihm zweifeln. Gelassen nehmen sie seine Untaten hin: Korruption in der Familie, Gleichschaltung von Polizei und Justiz, Verfolgung aller wirklichen oder vermeintlichen Gegner, Willkür allenthalben, die Forderung nach der Todesstrafe, das Anzetteln von Mord und Totschlag. Auch dass er noch schnell einen Krieg vom Zaun bricht, schreckt sie nicht ab. Blutrünstig muss so einer nun mal sein.

Das hat auch der dicke Mann aus Nordkorea schon bewiesen. Ein Aufsteiger ist er allerdings nicht, sondern wie Assad ein Hochwohlgeborener, einer, der von oben kommt – auch das geht – und der einer unschönen Familientradition folgt. Mögliche Rivalen lässt der Nordkoreaner hinrichten, den eigenen Bruder vergiften. Die Welt bedroht er mit seinen Atombomben. Donald Trump droht zurück. Und Assad, Augenarzt und Familienvater, ermordet gleich sein eigenes Volk, mal mit Chemiewaffen, mal ohne.

Apropos: Ob Putin, der Lupenreine, wirklich den Londoner Giftmord angeordnet hat? Ist er nicht zu rational, zu intelligent für die schreckliche und schrecklich dumme Tat? Doch wenn er es wirklich war, sollte er sich fürchten, dann trifft es irgendwann auch ihn. Nicht weil das Gute am Ende siegt, sondern weil das Böse der tödlichste Feind des Bösen ist. Deshalb bekämpft in Syrien jeder jeden.

Die Armeen und Milizen, die kein Mensch mehr auseinanderhalten kann, zerstören Krankenhäuser, foltern sich gegenseitig, lassen die Zivilbevölkerung hungern und dursten, verhindern, dass Medikamente zu den Leidenden gelangen. Ähnlich unmenschlich geht es im Jemen zu oder im Südsudan und in Myanmar. Wenn nicht alles täuscht, hat sich auch Xi Jinping in China auf einen Weg begeben, der in die bekannte cäsarenhafte Richtung führt.

Zur Auflockerung umarmt und beschmust man sich öffentlich. Donald Trump, der sich nach eigener Auskunft bei Frauen alles herausnehmen kann, küsst unverhofft die saudischen Prinzen. Baschir al-Assad drückt Wladimir Putin ans Herz. Sigmar Gabriel fällt dem türkischen Außenminister um den Hals. Sein Nachfolger wird es nicht anders halten. Am Bosporus sitzt ja ein Verbündeter, Präsident eines Nato-Staates. Den küsst man nicht nur, dem schicken wir auch Zubehör für Waffen. Walpurgisnacht allenthalben. Teufel und Beelzebub haben den Globus im Griff. Es fühlt sich gar nicht gut an, diesen Gedanken zu Ende zu denken.