Die letzte Sauerkonservenfabrik in Filderstadt verarbeitet bis zu 2000 Tonnen Kraut im Jahr. Zurzeit ist Hochsaison in dem Familienbetrieb in Bernhausen.

Filder - Jetzt rollen auf den Fildern wieder die Köpfe. Die Krauternte läuft auf Hochtouren. Das Herbstgemüse stapelt sich auf den Anhängern der Zugmaschinen – tropfenförmiges Spitzkraut und Rundkraut von zartgrün bis tiefrot. Weil die schmackhafte Ware dort nicht versauern soll, wird dieser Vorgang den Profis überlassen. In der Sauerkonservenfarbik Fritz Schlecht in Bernhausen wird die Ernte fachmännisch vergoren und verzehrfertig in Dosen abgefüllt.

 

Hier schlägt das Herz der Filder

Durch die Aicher Straße in Bernhausen schiebt sich der Verkehr in Richtung Innenstadt – Autos, Busse und Lastwagen. Wer vor dem Dr. Peter-Bümlein-Platz in die Johannesstraße abbiegt, dem bietet sich ein völlig anderes Bild. Hier schlägt das bäuerliche Herz der Filder. Traktoren parken am Straßenrand, Landwirte warten darauf, die frische Fracht vom Acker auf das Laufband neben dem Eingangstor zur Sauerkonservenfabrik der Familie Schlecht zu entladen.

„Das ist die Ernte von gestern“, berichtet der Landwirt Walter Schumacher aus Plieningen, bevor er die Seitenwand seines Anhängers öffnet. Der Krautfabrikant Armin Schlecht steht gleich daneben und hat ein Auge darauf, dass die Köpfe gleichmäßig in den Fördermechanismus kullern, der sie in den ersten Stock transportieren soll. „Die Ladung hat etwa 7,5 Tonnen. In einer Stunde haben wir das Kraut so weit verarbeitet, dass es in den Silos vergären kann“, schätzt Schlecht.

Angesicht der grünen Flut, die sich laut polternd von der Ladefläche ergießt, ist das kaum vorstellbar. Doch der Juniorchef lässt keinen Zweifel zu. „Unseren Betrieb gibt es seit 1930 in der vierten Generation. Da greift ein Rädchen ins andere“, sagt Schlecht. Nur so lassen sich die großen Liefermengen bewältigen. „Pro Jahr verarbeiten wir zwischen 1800 bis 2000 Tonnen“, berichtet der 42-Jährige.

Etwa 25 Prozent davon ist Spitzkraut. Die Filder-Spezialität hat die Familie in den 1960er-Jahren mit dem Markennamen „Spitzbüble“ versehen und damit eine Nische am Markt besetzt, die das Überleben des Unternehmens bis heute sichert. „Damals begann das Sterben der Krautfabriken auf den Fildern. 1970 gab es hier noch etwa 15 Sauerkrautfabriken, heute sind es drei“, erzählt Armin Schlecht.

Mit Haarnetz in die Fabrik

Im Familienbetrieb packen alle mit an. Der Wettbewerb ist hart, das Geld sauer verdient. „Als kleines Unternehmen muss man mit Herzblut bei der Sache sein“, sagt Schlecht, der sich mit dem Krautanbau ein zweites Standbein geschaffen hat. Am Morgen war er auf den Feldern unterwegs. Am Nachmittag ist er in der Produktion gefordert. Schlecht zieht das Haarnetz über, nimmt mit wenigen Schritten die Treppe ins Obergeschoss und öffnet die Tür zum Herzstück der Sauerkonservenfabrik – dem Raum, in dem das Kraut geschnitten wird.

Vier Mitarbeiter nehmen das Vitamin-C-reiche Gewächs hier in Empfang. Die Ware ist weiß geputzt geliefert worden. Jetzt muss der Strunk entfernt werden. Das ist besonders beim Spitzkraut eine heikle Sache. „Durch die Form ist der Strunk lang, holzig und oft verläuft er nicht gerade“, verrät der Experte. Die Krautfabrikanten auf den Fildern mussten deshalb stets auch mit Erfindergeist gesegnet sein. Eine Saisonkraft demonstriert, wie sich das frühe Modell eines Krautbohrers ins Innere des Haible fräst. „Das war für die Finger nicht ungefährlich“, erinnert sich Armin Schlecht. Sein Vater Fritz Schlecht hat deshalb vor Jahren eine vollautomatische „Bohr-Maschine“ entwickelt, die heute noch zum Einsatz kommt.

Das Gerät hat momentan Pause. „Der Spätsommer war zu trocken. Das Spitzkraut hängt in der Entwicklung hinterher“, berichtet der Sohn. Deshalb konzentriert man sich derzeit auf die Verarbeitung von Rundkraut. Zwei Mitarbeiter legen die Feldfrüchte in eine Halterung. Mit sirrendem Geräusch frisst sich die Maschine in die grünen Kugeln. Es folgt eine kurze Kontrolle, dann zerlegt die Schneidemaschine die Krautköpfe in 0,65 bis 0,75 Millimeter breite Streifen.

Salzgehalt und Wetterlage

„Das ist jetzt Krautsalat“, witzelt Armin Schlecht. Dann wird es technisch. Kurz bevor das Gewirr aus gelblich-weißen Fäden durch einen Trichter in die Silos im Erdgeschoss fällt, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Über einen kleinen Kanal rieselt Salz hinzu. „Das Förderband ist mit einer Waage ausgestattet und berechnet die Menge automatisch. Die Dosierung liegt zwischen 0,5 bis 1,3 Prozent“, sagt der Experte. Über den aktuellen Wert entscheiden die Außentemperatur und die Erfahrung. Denn: Ist der Salzgehalt nicht auf die Wetterlage abgestimmt, kommt es zu einer Fehlgärung.

Auch für den Gärprozess in den Silos gibt es feste Regeln. „Die ideale Temperatur liegt bei 17 Grad“, sagt der Seniorchef Fritz Schlecht. Er hat an diesem Tag das Abfüllen übernommen und das 800 Kilogramm schwere Wasserkissen von einem Bottich entfernt. Säuerlicher Geruch steigt empor. „Das Kraut ist jetzt etwa zehn Tage lang vergoren. Durch den Druck und die Salzzugabe ist Zellsaft ausgetreten. Der Fruchtzucker hat sich in Säure umgewandelt und das Kraut konserviert“, erklärt der 68-Jährige.

Alles Weitere ist Routine. Ein Greifer hievt das Sauergemüse in die Verteilschnecke. Auf dem Weg zur Abfüllmaschine durchläuft es den Blancheur, wo es für drei Minuten auf 90 Grad erhitzt wird. Dann werden die Büchsen befüllt. Ein Mitarbeiter kontrolliert die Menge, ein anderer füllt die Dose mit Krautsaft auf, bevor sie maschinell verschlossen wird. Dann wartet die letzte Wärmebehandlung. Im Pasteur werden die Konserven bis zu 40 Minuten bei 85 Grad erhitzt.

Die Marke hat sich einen Namen gemacht

Erschöpft aber zufrieden steht Fritz Schlecht zur Mittagszeit vor einem Turm aus goldglänzenden Konserven. „Die gehen jetzt raus an den Handel“, sagt er. Sein Sohn nennt die wichtigsten Abnehmer: „Wir beliefern Edeka, Rewe, Kaufland, Kantinen, die Hersteller von Convenience-Produkten sowie den Großhandel.“ Die Marke Spitzbüble hat in der Region einen Namen und steht deshalb vor allem im Großraum Stuttgart in den Regalen.

Aber auch für den Direktvertrieb nimmt man sich Zeit. Immer wieder öffnet sich die Tür zum Büro von Fritz Schlecht und Sauerkraut-Fans aus der Umgebung füllen ihren Einkaufskorb. „Wenn die Tage wieder kälter werden, steigt die Nachfrage sprunghaft an“, erzählt Armin Schlecht.

Auch er passt sich kulinarisch dem Lauf der Jahreszeiten an. „Nach dem Grillen im Sommer ist jetzt die Lust auf Kraut wieder da“, stellt der Sauerkonserven-Fabrikant fest. Bei der Frage „Was essen wir heute?“ gibt es bei Familie Schlecht derzeit kaum Diskussionsbedarf. „Vergangene Woche gab es bei uns dreimal Kraut“, verrät der Junior-Chef.