Die Berliner Linksextremisten wollen keine Lösung, ihr Ziel ist der Kampf. Verhandeln ist ein sinnloser Vorschlag, meint StZ-Kolumnistin Katja Bauer.

Berlin - „Stürzt Berlin ins Chaos!“ Das ist ein Satz, der keinen Raum für Interpretationen lässt. Er steht in einem Aufruf der Hausbesetzer der Rigaer Straße 94 im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Politik ist oft kompliziert. In diesem Punkt ist sie sehr einfach: Mit Menschen, die so etwas schreiben, kann man nicht verhandeln. Wer Gewalt androht oder ausübt, ist kein politischer Partner.

 

Die linksradikale Szene Berlins sagt selbst, was sie nicht möchte: sich mit diesem „Schweinesystem“ in irgendeiner Form einigen. Niemand aus dieser Truppe ist an Verhandlungen interessiert, an deren Ende eine Einigung stehen könnte. Im Gegenteil, Destabilisierung ist die Strategie. Leider feiert die Szene, die in den vergangenen Jahren als stark geschwächt galt, zur Zeit in dieser Hinsicht riesigen Erfolg: Berlin hat in der Nacht zu Sonntag die heftigsten Ausschreitungen seit Jahren erlebt. 123 Polizisten wurden verletzt. Einsatzkräfte, die dort waren, sprechen von unverhohlenem Hass.

Das Drehbuch für den Protestsommer steht

Die Linksextremisten sitzen derweil da und reiben sich die Hände: besser könnte es für sie nicht laufen. Der 1. Mai als folkloristischer Großkampftag war fast Geschichte, der Konflikt jetzt aber lässt sich so treiben, dass die Stadt darunter in diesem Sommer noch übel leiden könnte. Das Drehbuch steht schon: Am Mittwoch gibt es einen Prozess vor dem Landgericht, zu dem mobilisiert wird, Im August droht dem M99, einem symbolträchtigen Szene-Laden für „Revolutionsbedarf“ in Kreuzberg, die Räumung. Dass zeitgleich Wahlkampf herrscht, lässt die Chancen auf friedliche Zeiten sinken.

Die größten Fehler wurden und werden von den verantwortlichen Politikern begangen. Die schlechteste Figur macht zur Zeit Michael Müller. Vom Kalkül getrieben, den CDU-Innensenator Frank Henkel im beginnenden Wahlkampf zu schwächen, hat sich der Regierende dazu hinreißen lassen, Verhandlungen zu fordern. Ein Senat, der nicht mit einer Stimme spricht, sendete ein Zeichen von Schwäche. Danach flogen erst mal Steine. Müller ruderte zurück und sagte, es sei nicht die Zeit der Runden Tische. Nun steht er da wie jemand, der keine Ahnung von seiner Stadt hat – und ein schlechtes Gedächtnis. Denn auch der SPD ist es in 15 Jahren nicht gelungen, den Konflikt um die Rigaer Straße zu befrieden. Was jetzt eskaliert, ist eines der uralten unerledigten politischen Geschäfte der Stadt.

Mit den Bewohnern wird schon lange erfolglos verhandelt

Über Jahre gab es Verhandlungen mit Leuten, die keine Lösung wollen. Die Bewohner lehnten 2013 die Idee ab, das Haus einer Stiftung zu verkaufen, die alternative Wohnprojekte entwickelt. Sie entschieden sich „für den Kampf“. Seitdem lebte die Politik recht bequem damit, nicht hinzusehen. Als der Investor jetzt bauen wollte – Wohnungen für Flüchtlinge – , hielt sich der grün regierte Bezirk so lange fein raus, bis der Innensenator aufs Gewaltmonopol pochte und mit teils ungeschickten Aktionen die Situation unnötig befeuerte. Alle waren immer froh, wenn nach dem nächsten Scharmützel Ruhe einkehrte. Trügerische, unproduktive Ruhe. Die größten Verlierer sind die Anwohner. Seit Monaten sind sie Leidtragende der Konflikte, der brennenden Autos, der polizeilichen Belagerung. Sie wünschen sich Deeskalation und einen Mittler, der einen Ausweg schafft, der einbindet, wen man einbinden kann, und die anderen isoliert. Eigentlich wäre das eine klassische Aufgabe der Politik.