Bundespräsident tritt nicht zurück, entschuldigt sich öffentlich und entlässt seinen Sprecher.

Berlin - Bundespräsident Christian Wulff hat sich für seinen zögerlichen Umgang mit der Kreditaffäre entschuldigt, tritt aber nicht zurück. Sein Amt wolle er weiterhin gewissenhaft fortführen. Dafür bitte er die Bürger um ihr Vertrauen, betonte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in einer persönlichen Erklärung im Schloss Bellevue.

 

Wulff entlässt seinen Sprecher und langjährigen Vertrauten

Zuvor hatte er seinen Sprecher und langjährigen engen Vertrauten Olaf Glaeseker von seinen Aufgaben entbunden. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zurückhaltend zu der Erklärung Wulffs. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte der dpa: „Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.“ Die Kanzlerin hat Wulff seit Beginn der Kreditaffäre zweimal ihr Vertrauen ausgesprochen.

Der Bundespräsident bedauert die Irritationen

Der Bundespräsident erklärte, private Freundschaften hätten seine Amtsführung nicht beeinflusst. „Dafür stehe ich.“ Zu keinem Zeitpunkt habe er in einem seiner öffentlichen Ämter jemandem „einen unberechtigten Vorteil gewährt“. Er bedauere die entstandenen Irritationen. Er nehme alle Vorwürfe sehr ernst. Alle Auskünfte seien erteilt worden, sagte Wulff. Zur Einsicht in seinen Kredit von 500.000 Euro sei die BW-Bank umfassend vom Bankgeheimnis befreit worden. Auch seine Ferienaufenthalte bei Freunden habe er offengelegt.

Seine Vorgehensweise bezeichnete Wulff als "nicht geradlinig"

Er habe über 250 Einzelfragen jeder Art beantwortet. Wulff räumte ein, dass für Amtsträger im Grenzbereich zwischen Dienstlichem und Privatem Transparenz erforderlich sei. Er hätte den Privatkredit dem niedersächsischen Landtag seinerzeit als Ministerpräsident offenlegen sollen, gestand er zu. „Das war nicht geradlinig und das tut mir leid. Ich sehe ein, nicht alles was juristisch rechtens ist, ist auch richtig.“ Wulff bedauerte, dass er Glaeseker entlassen musste. Gründe dafür nannte er aber nicht.

Glaeseker habe um seine Entlassung gebeten

Glaeseker bat dem Vernehmen nach selbst um seine Entlassung. Aus dem Umfeld des Präsidialamtes verlautete, inzwischen sei auch das Privatleben Glaesekers ins Visier genommen worden. Auch zum Schutz seiner Familie sei er nicht bereit gewesen, das hinzunehmen. Seine Aufgaben soll ab sofort die bisherige Stellvertreterin Petra Diroll kommissarisch übernehmen.

Wulff sieht sich seit über einer Woche mit Vorwürfen wegen eines Hausdarlehens und zu enger Kontakte zu reichen Unternehmern konfrontiert. Am Donnerstag machte das Magazin „Der Spiegel“ weitere Einzelheiten des Kredits öffentlich. Danach bekam Wulff das Anschlussdarlehen für sein Eigenheim von 500.000 Euro bei der BW-Bank zu auffallend günstigen Konditionen.

Wulff habe - nach der Ablösung des Kredits beim Unternehmerpaar Geerkens - bei der BW-Bank keinen normalen Immobilienkredit erhalten, sondern ein komplexes Finanzkonstrukt, heißt es in dem Bericht. Wulffs Rechtsanwälte hielten dem entgegen, die Darstellungen des „Spiegels“ seien so nicht richtig.

Wulff muss keine Ermittlungen fürchten

Nach mehreren Strafanzeigen muss Wulff keine Ermittlungen befürchten. Die Beziehungen zu den befreundeten Unternehmern und die von ihnen gewährten Vergünstigungen ließen „das Geschehen insgesamt als plausibel und strafprozessual unverdächtig erscheinen“, teilte die Staatsanwaltschaft Hannover am Donnerstag mit. In den vergangenen Tagen waren bei der Staatsanwaltschaft neun Anzeigen gegen Wulff mit dem Vorwurf der Korruption eingegangen.

Opposition hatte persönliche Stellungnahme verlangt

Die Opposition im Bundestag hatte seit einigen Tagen von Wulff eine persönliche Stellungnahme verlangt. Ernsthafte Forderungen nach seinem Rücktritt erhob sie bisher aber nicht. Kritisiert wurde, dass Wulff Fragen, die es in der Bevölkerung zu Recht gebe, von seinen Anwälten beantworten lasse. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag): „Niemand kann sich wünschen, dass innerhalb von zwei Jahren der zweite Bundespräsident zurücktritt. ... Damit würde das Vertrauen in die demokratischen Institutionen schwer beschädigt. Umso wichtiger ist jetzt Aufklärung.“

Lemke und Gabriel kritisierten Wulffs Vorgehensweise

Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke sagte der "Welt", es sei ein merkwürdiger Vorgang, wenn ein Bundespräsident Fragen nur noch von seinen Anwälten beantworten lasse. „Mehr Distanz zwischen Staatsoberhaupt und Öffentlichkeit gab es lange nicht.“ Lemke wie Gabriel kritisierten, dass zunächst nur Wulffs Anwälte kommunizierten.

Allerdings sei es allein Sache des Bundespräsidenten, wie er mit den Vorwürfen umgeht. „Niemand kann ihm da einen Ratschlag geben, schon gar nicht die Opposition. Ich fürchte allerdings, dass die Affäre dazu beiträgt, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in Politik haben. Der Titel seines Buches wäre auch jetzt die richtige Leitlinie: „Besser die Wahrheit“.“

Transparency International hatte Wulff aufgefordert, noch vor seiner Weihnachtsansprache mit einer öffentlichen Erklärung reinen Tisch zu machen. Eine Weihnachtsansprache Wulffs zum Zusammenhalt in der Gesellschaft sei „peinlich hoch drei“, solange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Raum stünden, sagte die Vorsitzende der Antikorruptions-Organisation, Edda Müller, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".