Der Herrenberger Bodo Philipsen will mit einem Brandbrief an Nils Schmid die SPD aufrütteln.

Kreis Böblingen - Die starken Worte an den Genossen sind mit Bedacht gewählt. Und der Brief, in dem der Herrenberger Stadtrat Bodo Philipsen den Landesvorsitzenden Nils Schmid persönlich angreift, ist auch kein unüberlegter Alleingang. Er habe sich mit seiner Fraktion abgestimmt, sagt Bodo Philipsen.

 

Umso schwerer wiegt die geradezu vernichtende Kritik an der Person des Landesvorsitzenden und seiner Arbeit im „Superministerium“. Im Wirtschaftsressort seien keine klaren Ziele auszumachen, wirft der Herrenberger Stadtrat dem Stuttgarter Minister vor. „In der kritischen Öffentlichkeit kommt an, dass die neue Regierung trotz historisch einmalig guter Steuerzahlungen unfähig ist zu sparen und mit den Haushaltsrisiken der alten Regierung nicht umzugehen weiß.“ Noch mehr empört sich Philipsen darüber, wie in Schmids Ministerium Stellen besetzt werden: Es sei verheerend, dass nach dem schwarzen Filz „das gleiche in Rot“ geschehe.

Von seinen Parteigenossen hat Philipsen bislang keine Schelte bekommen für die Kritik, die auffallende Parallelen zu den Sticheleien aus den Reihen des Gegners zeigt. Im Gegenteil: „Ich halte diesen Brief für berechtigt“, sagt die frühere Landtagsabgeordnete Birgit Kipfer. Die wirklich wichtigen Themen würden von der Landtagsfraktion ihrer Partei nicht aufgegriffen. Sie teilt Philipsens Kritik an der Person Schmid – auch wenn sie es weit versöhnlicher formuliert: „Zwei Ministerien und der Landesvorsitz – das hätte jeden überfordert.“

Glaubt man Philipsen, so sind sich die Sozialdemokraten des linken wie des rechten Flügels sogar einig in der breiten Unterstützung seines Vorstoßes: „So eine hundertprozentig positive Resonanz habe ich noch nie erhalten.“ Dabei geht Philipsen auch mit seiner Partei hart ins Gericht: Die SPD lasse keine klare Linie erkennen, es gebe keine Kontinuität in der Verfolgung politischer Ziele. „In dieser Form werden wir als Landesverband zu einer echten Belastung bei den Bundestagswahlen“, bilanziert er besorgt. „Wir machen die am Boden liegende CDU künstlich stark, und die Grünen sonnen sich in immer neuer Strahlkraft.“ Bedenklich hält er dies vor allem, weil der Erfolg der eigenen Arbeit vor Ort durch das Image der Landespartei zerstört werde.

Zu Zeiten von Erhard Epplers Landesvorsitz, sagt Philipsen, der damals selbst landespolitisch aktiv war, habe man sich für ein Wahlergebnis von 37 Prozent rechtfertigen müssen: „Und heute? Beim Landesparteitag in Sindelfingen ging in der Euphorie über die Regierungsbeteiligung völlig unter, wie schlecht dieses Ergebnis von 21 Prozent war.“ Noch unerträglicher findet er das Scheitern der SPD bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl vor einem Monat: „Der dritte Platz gebührt uns einfach nicht“, sagt der Herrenberger Pädagoge.

Die breite Unterstützung hat ihn darin bestärkt, jetzt am Ball zu bleiben. Spätestens nach dem Jahreswechsel müsse die parteiinterne Diskussion beginnen. Nur so könne man sich rechtzeitig zur nächsten Bundestagswahl wieder neu gestärkt positionieren.

Dass der beliebte Regierungschef Winfried Kretschmann sich als konservativer Charakterkopf präsentiere, lasse der SPD schließlich genug Spielraum für eigene Positionen: „Schmid könnte zeigen, dass uns viel am nachhaltigen Wirtschaften liegt, dass wir Arbeitsplätze sichern wollen. Das Ideal wäre, dass er einfach professionell und sauber arbeiten würde. Das wäre das beste Urteil, das er in Baden-Württemberg bekommen kann. Dazu braucht es kein Charisma.“