Nach dem jüngsten Ansturm geht das Interesse an Waffen wie Schreckschusspistolen wieder zurück.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Leonberg - Die Nachfrage nach kleinen Waffenscheinen ist im Landkreis Böblingen wieder gesunken: Alle vier großen Kreisstädte und das Landratsamt melden zurückgehende Zahlen bei der Erteilung des Dokuments, das erforderlich ist, um Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit zu führen. 2017 haben sich 329 Menschen eine solche Bescheinigung besorgt. 2016 waren es mit 821 kleinen Waffenscheinen mehr als doppelt so viele.

 

Der bundesweit auffällige Ansturm auf den kleinen Waffenschein wird mit der massiven Zuwanderung von Flüchtlingen erklärt. Vor allem nach den sexuellen Übergriffe an Silvester 2015 in Köln „sind die Zahlen explodiert“, teilt die Herrenberger Pressesprecherin Anne Reichel mit. „Inzwischen hat es sich wieder auf normalem Niveau eingependelt.“

Mehr Waffenscheine erteilt als noch vor zehn Jahren

Allerdings werden nach wie vor mehr Waffenscheine erteilt als noch vor zehn Jahren. In Böblingen waren es im Jahr 2017 beispielsweise 40 Stück, in diesem Jahr sind es 19. Im Jahr 2008 waren es insgesamt nur sieben kleine Waffenscheine, meldet die Stadt. Dagegen ist der Unterschied in Sindelfingen nicht so groß: 2017 hat das Rathaus 48 kleine Waffenscheine ausgestellt – vor zehn Jahren 37. Die anderen beiden Kreisstädte und das Landratsamt konnten keine Zahlen zu 2008 liefern. In Herrenberg hat sich die Zahl von 2016 auf 2017 von 57 auf 30 fast halbiert, in diesem Jahr wurden bisher neun kleine Waffenscheine erteilt. In Leonberg ist die Zahl im gleichen Zeitraum von 79 auf 46 gesunken. Den signifikantesten Rückgang meldet die Kreisbehörde: von 484 kleinen Waffenscheinen im Jahr 2016 auf 165 im vergangenen Jahr zu 29 im ersten Halbjahr 2018.

Waffenscheine ohne die Einschränkung „klein“ werden in Deutschland an Privatpersonen nur selten erteilt, in der Regel ausschließlich an Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen, was auch im Kreis Böblingen der Fall ist.

Kriminalitätsbelastung ist zurückgegangen

Zur Entwicklung der Zahlen passt, dass es im Kreis Böblingen nicht gefährlicher geworden ist – ganz im Gegenteil: „Die Kriminalitätsbelastung ist weiter zurückgegangen und so niedrig wie seit Jahren nicht mehr“, sagte Frank Rebholz bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik für 2017. Die Werte waren im Kreis Böblingen laut dem Chef des Ludwigsburger Polizeipräsidiums nur vor acht Jahren besser. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die von Flüchtlingen begangenen wurden, haben zwar von 33 auf 48 Fälle zugenommen. Insgesamt waren es jedoch 414 Fälle. Sexuelle Übergriffe wie in Köln „hatten wir im Landkreis Böblingen nicht zu verzeichnen“, teilt die Polizeisprecherin Tatjana Wimmer mit. Die Polizei setze seither trotzdem bei größeren Veranstaltungen mit viel Publikum auf eine höhere Präsenz, ergänzt Wimmer. Andersherum betrachtet hat sich die steigende Zahl an kleinen Waffenscheinen bei den Straftaten statistisch nicht groß bemerkbar gemacht, berichtet Wimmer weiter. Im vergangenen Jahr waren es mit 27 Delikten sechs Straftaten mehr, die eine Schreckschusswaffe involvierten, als noch 2016. Bei 20 Fällen handelte es sich um Verstöße gegen das Waffengesetz, zum Beispiel das Fehlen eines kleinen Waffenscheins. Nur in Einzelfällen wurden Schreckschusswaffen bei Raub, Körperverletzungen oder ähnlichen Delikten verwendet, so die Polizeisprecherin.

Konstant bis leicht steigend ist die Zahl der abgegebenen Waffen im Landkreis Böblingen. Noch bis 30. Juni gilt eine Amnestie für Personen, die illegal erworbene Pistolen oder andere Waffen straffrei aushändigen wollen. Im vergangenen Jahr wurden genau 296 Waffen bei den Kreisstädten und im Landratsamt abgegeben, seit Jahresbeginn sind es 150 Stück.

Von der Amnestie haben eher wenig Personen Gebrauch gemacht – in Leonberg waren es beispielsweise in diesem Jahr bisher sieben Waffen und im vergangenen Jahr gar keine. Nach dem tödlichen Amoklauf in Winnenden und der darauffolgenden Verschärfung der Aufbewahrungspflichten waren die Zahlen beeindruckender: Allein bei der Stadt Böblingen wurden in den Jahren 2008 und 2009 fast 400 Waffen abgegeben.