Seit anderthalb Jahren gibt es keine Schutzeinrichtung für misshandelte Frauen mehr im Kreis. Die Frauenhäuser der Umgebung sind überfüllt.

Böblingen - Seit anderthalb Jahren gibt es im Kreis Böblingen keine Zufluchtsstätte für misshandelte Frauen mehr. Zum 30. September 2011 schloss nach mehr als 30 Jahren das Frauenhaus. Nur aus Rücklagen konnten zuletzt noch die Gehälter der Mitarbeiter bezahlt werden. Die Verantwortlichen beschlossen, das Haus zuzumachen. Sie forderten für die Fortführung ihrer Arbeit mehr Unterstützung durch den Landkreis. Dieser wollte eine neue Konzeption. Nun haben sich Verein und Kreisverwaltung geeinigt – doch ein neues Frauenhaus gibt es immer noch nicht. Der Grund: es fehlt ein passendes Gebäude. Immerhin gibt es vom 1. April an im Kreis Böblingen wieder eine Anlaufstelle für Frauen, die sich aus einer gewalttätigen Beziehung lösen wollen: Der Verein stellt eine Sozialpädagogin für die Beratung ein.

 

„Wir suchen seit mehreren Monaten nach einem geeigneten Gebäude für ein Frauenhaus“, sagt Karin Kellermann-Körber, die Vorsitzende des Vereins Frauen helfen Frauen. Wesentlich kleiner und damit finanziell günstiger als das alte mit 24 Plätzen für Frauen und Kinder soll das neue Schutzhaus werden. Platz für sechs Frauen und deren Kinder ist in der neuen Einrichtung vorgesehen. Dafür sei ein Gebäude mit sechs Schlafzimmern, drei Bädern sowie mit Gemeinschaftsräumen für die Beratung notwendig. „Ideal wäre eine Pension, die aufgegeben wird“, sagt Karin Kellermann-Körber. Doch die Suche erweise sich als schwierig.

Gespräche habe man auch mit den Sindelfinger Wohnstätten geführt. „Wir haben alles durchforstet, doch kein passendes Gebäude in unserem Bestand gefunden“, sagt Georg Rothfelder, der Geschäftsführer des städtischen Wohnbauunternehmens. Auch über einen Neubau denkt der Verein Frauen helfen Frauen nun nach.

Frauenhäuser in der Umgebung überfüllt

Das fehlende Schutzhaus im Kreis Böblingen tangiert auch die Einrichtungen für Frauen in den umliegenden Kreisen. „Wir hatten in den vergangenen Jahren stets eine Belegungsquote von etwa 75 Prozent, 2012 betrug sie 91 Prozent. Wir mussten häufig Frauen abweisen, weil wir voll hatten“, berichtet Brigitta Kröhnert vom Tübinger Frauenhaus. Auch in anderen Häusern im Land seien die Plätze im vergangenen Jahr knapp gewesen. „2012 hatten wir mindestens vier Mal die Situation, dass es in ganz Baden-Württemberg nicht einen freien Platz in den Schutzhäusern gab“, sagt Kröhnert. Auch Sabine Brommer, beim Paritätischen Wohlfahrtsverband für die Frauenhäuser zuständig, bestätigt „einen Engpass im Herbst 2012.“

Geändert hat der Böblinger Verein nun seine Konzeption für ein Frauenhaus. Denn statt der „schwäbischen Hausfrauen“, fragten heute junge Migrantinnen um Hilfe an, sagt Kellermann-Körber. „Die bringen eine Vielzahl an Problemen mit.“ Da gehe es nicht nur um einen schlagenden Ehemann, sondern auch um Schulden, Probleme bei der Kindererziehung und der Haushaltsführung. „Wir gehen künftig auf diese Bedürfnisse der Frauen ein“, sagt Kellermann-Körber. Geplant ist, dass sich eine Hauswirtschafterin gemeinsam mit den Bewohnerinnen um den Haushalt im Schutzhaus kümmern soll – und die Frauen nebenbei in Haushaltsführung schult.

Verein träumt von einem Oranje Huis

Noch Zukunftsmusik ist hingegen die Idee eines so genannten Oranje Huis nach holländischem Vorbild. Ein solches modernes Frauenhaus, das nicht mehr anonym ist, sondern sich nach außen öffnet und vielfältige Beratungsangebote – auch für gewalttätige Männer – bietet, ist die Vision, an der die Böblinger Vereinsfrauen seit Jahren arbeiten.

Doch zunächst wollen sie ein neues kleines Frauenhaus eröffnen. Die Suche nach einem passenden Gebäude geht weiter. „Vielleicht meldet sich ja eine Hausbesitzer und bietet uns seine Immobilie an“, hofft Kellermann-Körber.