Entscheidungen fallen per Rundmail oder in Videokonferenzen – damit rechtlich am Rande der Gemeindeordnung. Wichtige Themen sind auf unabsehbare Zeit vertagt.

Kreis Böblingen - Gelegentlich hilft schon ein größerer Saal. Der Gemeinderat von Ehningen trifft sich am Dienstag in der Turn- und Festhalle. Dort kann der Abstand zwischen den Kommunalpolitikern gewährleistet werden, der gegen eine Ansteckung geboten ist. Die kommunalpolitischen Kollegen aus Weil im Schönbuch versammeln sich am gleichen Tag aus dem gleichen Grund im Turnerheim.

 

Die oberste politische Ebene fällt Beschlüsse in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig bei Telefon- oder Videokonferenzen. An der politischen Grasnarbe, in den Gemeinderäten, versuchen die Kommunalpolitiker den Betrieb zumindest soweit aufrecht zu erhalten, dass keine wichtigen Zukunftsentscheidungen in unabschätzbare Ferne rücken.

Technische Premiere

Sindelfingens Kommunalpolitiker haben sich dabei an einer technischen Premiere versucht. Zur jüngsten Sitzung saß der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) allein im Ratssaal und sprach mit seinem Laptop. Die Stadträte waren per Computer zugeschaltet und diskutierten von zuhause aus mit. Von kleineren technischen Pannen wie Tonproblemen, Wackelbildern und unvorteilhaften Perspektiven einmal abgesehen gelang der Versuch. Auch Zuhörer waren zugelassen. Wer wollte, konnte die Sitzung online live verfolgen. Nachzusehen ist sie auf der Homepage der Stadt. Nebenbei bekam die interessierte Öffentlichkeit Einblick in die Einrichtungsstile ihrer gewählten Vertreter, allerdings war diese nicht allzu groß. Etwas mehr als 100 Mal ist die Onlinesitzung Stand Freitag angesehen worden.

Vöhringer stellt schon bei der Premiere fest: „Präsenz ist einfach durch nichts zu ersetzen.“ Manche Kommune lässt über Entscheidungen derzeit per Rundmail abstimmen. In Sindelfingen dürfte spätestens bei der demnächst anstehenden, geheimen Bürgermeisterwahl weder dies noch eine Videoschalte rechtlich durchführbar sein.

Gemessen an der Gemeindeordnung bewegen sich die Stadtpolitiker auch andernorts am Rande des Erlaubten – wenn nicht darüber hinaus. In Böblingen tagt der Ältestenrat ebenfalls in Videokonferenzen. Die Treffen der Ausschüsse entfallen vorerst ersatzlos. Die Folgen sind schwer einzuschätzen. In den Vorberatungen der kleinen Runden wird in aller Regel die eigentliche politische Arbeit geleistet. Parteipolitisches Geplänkel spielt eine untergeordnete Rolle. Die letzte und formal entscheidende Sitzung ist zumeist eher ein Schaulaufen für die Öffentlichkeit. Die Argumente, die in den Ausschüssen längst ausgetauscht worden sind, werden dabei noch einmal wiederholt. Doch der Böblinger Gemeinderat wird sich am 6. Mai in der Kongresshalle treffen, um über dringliche Angelegenheiten abzustimmen – ohne die sonst obligatorischen Vorberatungen.

Fristen für Zuschüsse müssen die Kommunen einhalten

Vergleichbar sind die Notregelungen in Herrenberg. Die Ausschusssitzungen im März und April sind ersatzlos gestrichen worden. Dem Coronamodus fallen außerdem Themen zum Opfer, die in Normalzeiten als durchaus bedeutsam bewertet waren. Der Schulentwicklungsplan etwa zählt dazu, ein Konzept für die städtische Kultur oder der Bedarfsplan für die Sportstätten der Stadt. Mit Terminen behaftete Angelegenheiten werden hingegen beschlossen.

Dazu zählen größere Bauvorhaben allein deswegen, weil für die Beantragung von Zuschüssen Fristen gelten. Die Tagesordnungen „werden so knapp wie möglich gehalten“, teilt die Herrenberger Pressestelle mit. Der Sitzungssaal ist bis auf weiteres die Stadthalle. Überdies werden von den 32 Stadträten nur 18 teilnehmen. Die Mehrheitsverhältnisse bleiben erhalten. Wer die Sitzungen besucht, das entscheidet dann jede Fraktion für sich.