Wie ein Donnerwetter sind über manchen Stadtkämmerer die korrigierten Einwohnerzahlen hereingebrochen. Bis zu fünf Prozent ihrer Bürger existieren gar nicht, heißt es von den Statistikern. Dagegen wollen drei Kommunen im Kreis Böblingen vorgehen.

Kreis Böblingen – Wie ein Donnerwetter sind über manchen Stadtkämmerer die korrigierten Einwohnerzahlen hereingebrochen. Bis zu fünf Prozent ihrer Bürger existieren gar nicht, hat das Statistische Bundesamt durch das Zensus-Ergebnis herausgefunden, bei der eine Stichprobe von zehn Prozent der Einwohner in Deutschland befragt wurde. Rutesheim verliert zum Beispiel 4,9 Prozent seiner Einwohner, oder auch netto 501 Bürger. Böblingen und Herrenberg haben sogar 1700 beziehungsweise 1300 weniger. Nur Sindelfingen, Magstadt und Deckenpfronn haben sogar mehr Bewohner als gedacht.

 

Schaut man auf den gesamten Kreis, so verlieren vor allem die größeren Städte viele Bewohner, die ganz kleinen Kommunen oder das Obere Gäu bleibe in etwa gleich. Im Nordkreis verlieren die Städte etwas mehr als im Süden, mit Ausnahmen.

Der Einwohnerschwund trifft besonders die Kommunen, die ohnehin finanziell schwach aufgestellt sind. Zum Beispiel Weil der Stadt, wo für 25 Millionen Euro ein neues Schulzentrum gebaut werden soll. „Für uns sind 547 Einwohner weniger natürlich kein erfreuliches Ergebnis“, sagt der Bürgermeister Thilo Schreiber. Sein im Wahlkampf versprochenes Ziel, Große Kreisstadt zu werden, wäre damit passé. Daher will Schreiber Einspruch gegen den Bescheid des Statistischen Landesamtes einlegen. Gestern Abend hat der Gemeinderat darüber beraten, zumindest im Vorfeld hat sich kein Widerstand gegen Thilo Schreibers Strategie aufgetan.

Aber auch finanzstärkere Kommunen wie Rutesheim, Renningen oder Holzgerlingen wollen das nicht hinnehmen. In Rutesheim hält man sich vor der Gemeinderatssitzung bedeckt, doch der Erste Beigeordnete Martin Killinger hat schon direkt nach der Meldung der Zensus-Resultate ein entschiedenes Vorgehen angekündigt.

Holzgerlingen erwägt eine Klage

In Holzgerlingen schließt man sogar eine Klage vor dem Verwaltungsgericht nicht aus. „Wir bezweifeln die Ergebnisse der Volkszählung für unsere Stadt“, sagt der Bürgermeister Wilfried Dölker. Am Beispiel der Kleinkinder will er zeigen, dass die Zensus-Zahlen nicht stimmen: Die Stadt hat wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplätze exakt alle 380 Unter-Dreijährigen erfasst – in der Zensus-Erhebung werden aber 399 ausgewiesen. Auch sonst habe man Abweichungen bis fünf Prozent festgestellt. In den von statistischem Bürgerschwund betroffenen Städten Böblingen und Herrenberg will man erst einmal abwarten. „Wir prüfen die Zahlen noch“, sagt der Böblinger Stadtsprecher Wolfgang Pfeiffer. Der Hauptvorwurf der Kommunalpolitiker: eine zehnprozentige Stichprobe könne nicht genau sein. „Es war ja keine Volkszählung, da kann man auch daneben liegen“, sagt der Renninger Beigeordnete Peter Müller. Die eigene Zählung sei genau.

In Leonberg etwa, wo die Werte kaum voneinander abweichen, ist sich Wolfgang Schneider, der Leiter des Einwohnermeldeamtes, schon sehr sicher: „Wir arbeiten sehr präzise.“ So gehe man jedem Umzug hinterher, verhänge im Zweifel auch Zwangsgelder, wenn sich die Bürger nicht ummelden. Auch als vor einigen Jahren bundesweit Steuernummern an alle Bürger verteilt wurden, konnte man die Daten im Amt mit der Realität vergleichen.

Leonberg glaubt an seine Statistik

„Wir erfassen auch sehr genau Rückmeldungen von unseren Austrägern, die Wahlbenachrichtigungen erfasst haben“, sagt Wolfgang Schneider. Unschärfen gebe es lediglich, wenn jemand ins Ausland ziehe und sich vergesse abzumelden. „Wenn ein Leonberger in eine andere deutsche Kommune zieht, bekommen wir automatisch eine Meldung“, berichtet der Einwohneramtschef. Er könne mit gerade mal 33 Bürgern Abweichung jedenfalls gut leben.

Es gibt aber auch Gewinner der neuen Zählung. Im Kreis Böblingen sind das Sindelfingen, Magstadt und Deckenpfronn, im Enzkreis die Gemeinde Friolzheim. Hier darf sich der Bürgermeister Michael Seiß über 52 zusätzliche Erdenbürger freuen. „Das veranlasst mich zu keinerlei Klagen“, strahlt der Schultes, „weder im wörtlichen noch im juristischen Sinne.“ Über die zusätzlichen Einnahmen, die vom Jahr 2017 an fließen, wenn der Zensus in das kommunale Finanzsystem einfließt, freue er sich natürlich. „In erster Linie freuen wir uns aber über die zusätzlichen Bürger, die in unserem Ort leben“, sagt Seiß.

Im benachbarten Wimsheim rechnet der Kämmerer Anton Dekreon hingegen mit 30 000 Euro weniger im Jahr, was für eine solche kleine Gemeinde eine stolze Summe ist – vor allem, wenn die Ansiedlung der Goldscheideanstalt C. Hafner scheitern sollte. In Mönsheim hat der Bürgermeister Thomas Fritsch einen originellen Vorschlag: „Ich überlege, ob ich einen Brief an das Stastistische Landesamt schreibe um zu fragen, wer denn die 30 fehlenden Personen sind.“