Im Böblinger Landratsamt ist sechs Monate lang untersucht worden, welche Aufgaben künftig entbehrlich sind. Damit soll der ständige Anstieg der Personalkosten gebremst werden. Unter den Mitarbeitern hat der Prozess aber Unruhe ausgelöst.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Aufgabenkritik heißt es im Beamtenjargon, wenn in einer Behörde überprüft wird, ob sich unnötige Arbeit angesammelt hat. Diesen Prozess hat Roland Bernhard Anfang des Jahres im Böblinger Landratsamt angeordnet. Seither sind systematisch alle Ämter und Eigenbetriebe durchforstet worden. Das Ziel des Landrats: „So sind im Zeitraum bis 31. Dezember 2019 die Personalaufwendungen um fünf Prozent zu reduzieren“, schrieb er im Januar an die Belegschaft. Bis zum 30. Juni galt auch eine Wiederbesetzungssperre für die Hälfte der frei werdenden Stellen. Intern kam die Offensive nicht gut an. In der Region Stuttgart ist Böblingen der einzige Kreis, in dem ein solches Einsparprogramm läuft. Die Zahl der Aufgaben hat aber in allen Behörden zugenommen.

 

Öffentlich will sich Roland Bernhard noch nicht zur Aufgabenkritik äußern, nicht einmal die Zahlen zur Entwicklung des Stellenplans in den vergangenen zehn Jahren rückt die Behörde heraus. Es gibt nur die Bestätigung, dass der Prozess hausweit durchgeführt worden ist. Der Kreistag soll zuerst über die Ergebnisse informiert werden. Im Dezember hatten die Fraktionen dem Brief des Landrats zufolge die Zustimmung zum Haushalt mit der Aufgabenkritik verbunden – „mit dem Ziel eine effektive Senkung der Personalkosten zu erreichen“. Denn sie seien in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen, schrieb Roland Bernhard. Dafür werden im Kreis Böblingen in diesem Jahr rund 80 Millionen Euro fällig, knapp zehn Millionen Euro mehr als es noch 2016 waren und vier Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Vor acht Jahren waren es sogar nur 49 Millionen Euro gewesen.

Partieller Einstellungsstopp

Prompt herrschte Aufruhr im Landratsamt. Die Personalratsvorsitzende Dagmar Bürgel will sich auch nicht öffentlich zu dem Prozess äußern, aber ein Brief des Personalrats liegt unserer Zeitung vor. Die Mitarbeiter könnten nicht verstehen, „wie es dazu kommen kann, dass in wirtschaftlich guten Zeiten ein Personalkostenabbau von fünf Prozent pauschal verlangt wird und nicht zuerst die Ergebnisse der Aufgabenkritik abgewartet werden“, steht darin. Die Aufgabenkritik wurde in dem Brief prinzipiell nicht missbilligt, da es ein gutes Instrument sein könne, um die Behörde besser zu steuern. Aber gerade jetzt sorgten die vielen Zuzüge, der Bauboom, der Flüchtlingsstrom und die steigenden Zahlen bei den Autozulassungen für mehr Arbeit, heißt es von Mitarbeiterseite. Und sie stellen die Frage, ob der Personaleinsatz für Prestigeprojekte wie den Schönbuchturm gerechtfertigt sei.

„Wie wir wissen, folgt auf wirtschaftlich gute Jahre regelmäßig eine Durststrecke“, hatte der Landrat das Vorgehen erklärt. In einem zweiten Brief ging Roland Bernhard dann auf die Sorgen des Personals ein. Es gehe nicht um eine Leistungsverdichtung, erklärte er darin: „Das Einsparziel von fünf Prozent des Personalaufwandes soll vielmehr durch eine Verringerung von Aufgaben an sich erfolgen.“ Der partielle Einstellungsstopp sollte dabei helfen, frei werdende Kapazitäten auf anderen Stellen einsetzen zu können. Er setze sich für die Belange der Mitarbeiter ein, versicherte Roland Bernhard.

Landkreis Böblingen – Allgemeiner Zuwachs

Im Landratsamt Böblingen gibt es dem Haushaltsplan für 2018 zufolge 1368 Stellen. Vor drei Jahren waren es 115 Arbeitsplätze weniger, damals wurde im Haushaltsplan mit knapp 1253 Stellen gerechnet. Ältere Daten gibt es im Online-Archiv für die Kreistagssitzungen nicht. Der Kreis hat rund 386 000 Einwohner. Allgemein lässt sich auch für das Böblinger Landratsamt sagen, dass mit der Verwaltungsstrukturreform 2005 die zuvor dem Land zugeordneten Bereiche Forsten, Vermessung, Gewerbeaufsicht, Landwirtschaft, Straßenbau, Versorgungsverwaltung und Lebensmittelkontrolle in die Kreise verlagert wurden. Im Sozialbereich haben die Aufgaben in der Pflege oder in der Schulsozialarbeit für neue Stellen gesorgt

Landkreis Göppingen – Optimale Abläufe

Im Göppinger Landratsamt arbeiten 1120 Menschen auf rund 835 Vollzeitstellen. Vor zehn Jahren waren es 717 Vollzeitpositionen. Das ist eine Steigerung um 16 Prozent. Der Kreis hat etwa 255 000 Einwohner. „Der Zuwachs an Aufgaben war deutlich spürbar“, teilt Julia Schmalenberger mit. Die Folgen der Flüchtlingszuwächse, steigende Fallzahlen in anderen Bereichen, gestiegene gesetzliche Anforderungen sowie die Aufgabe, den Landkreis zukunftsfähig zu machen, nennt die Behördensprecherin als Gründe. Ob die Behörde effizient arbeitet, optimale Abläufe hat und den Personalbedarf richtig bemisst, wird seit mehreren Jahren durch externe Untersuchungen kontrolliert. Vor jeden Haushaltsjahr werden auch Einsparvorschläge von den Ämtern eingefordert.

Landkreis Esslingen – Konzept für Abbau

Das Landratsamt in Esslingen beschäftigt 1780 Mitarbeiter, die auf 1545 Vollzeitstellen sitzen. Gegenüber dem Jahr 2008 hat sich die Zahl um 185 Stellen und somit um 15,1 Prozent gesteigert. Der Kreis hat etwa 530 000 Einwohner. Für die vergangenen drei Jahre kommt Peter Keck auf eine lange Liste von Bereichen, in denen die Aufgaben zugenommen haben: in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Schulsozialarbeit, in der Ausländerbehörde, im Bereich Waffenrecht und in der Baugenehmigungsbehörde. Für die Abteilungen, die sich um die Flüchtlinge kümmern, gibt es laut dem Sprecher des Esslinger Landratsamtes eine Personalabbaukonzeption, da die Flüchtlingszahlen sinken. Gleichzeitig sei es schwierig, Kandidaten für technische Stellen und zwischenzeitlich auch in der Verwaltung zu finden, berichtet er.

Landkreis Ludwigsburg – Dauernde Zurückhaltung

Im Landratsamt in Ludwigsburg arbeiten zur Zeit etwa 1950 Personen, der aktuelle Stellenplan weist 1416 Vollzeitstellen aus. Vor zehn Jahren waren es 1057 Vollzeitpositionen. Die Steigerungsrate: 34 Prozent. Der Kreis Ludwigsburg hat fast 540 000 Einwohner. „Der Gesetzgeber zwingt uns zur Aufstockung“, erklärt Andreas Fritz. Allein wegen des Flüchtlingsstroms wurden im Jahr 2016 beispielsweise 80 Stellen geschaffen, 2012 waren 185 Stellen durch den Aufbau der Jobcenter dazugekommen. „Zurückhaltende Personalwirtschaft ist bei uns eine Daueraufgabe“, sagt der Pressesprecher. Frei werdende Stelle würden vor der Wiederbesetzung auf Erforderlichkeit überprüft, andere je nach Bedarf umgeschichtet.

Rems-Murr-Kreis – Florierende Wirtschaft

Genau 1546 Mitarbeiter zählt das Landratsamt im Rems-Murr-Kreis, auf fast 1347 Vollzeitstellen – für 423 000 Einwohner. Seit 2008 sind nur 52 Stellen hinzugekommen, ein Zuwachs von vier Prozent. Neben der Flüchtlingskrise haben in Waiblingen die Fallzahlen im Sozialbereich für eine Personalaufstockung gesorgt: Im Kreisjugendamt kamen fast 85 Stellen dazu. Dass in den Landkreisen eine Gleichstellungsbeauftragte ebenso Pflicht ist wie ein Behindertenbeauftragter, nennt Leonie Ries als Beispiele für gesetzliche Vorgaben. Die florierende Wirtschaft verursache zusätzliche Arbeit, im Rems-Murr-Kreis speziell das Thema Windkraft. „Aufgabenkritik und Stellenstreichungen gehören genauso zum Arbeitsprogramm wie neue Stellen zu schaffen“, erklärt die Sprecherin.