Die Slow-Food-Freunde aus Stuttgart und Umgebung treffen sich zu regelmäßigen Kochstammtischen und Weinproben. Sie organisieren Slow-Food-Messen und versuchen, vergessene regionale Lebensmittel wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.
Kreis Böblingen - Sonntags hat stets ein Braten auf dem Tisch gestanden, den die Hausfrau am Tag zuvor stundenlang geköchelt hatte. Und dieser Braten schmeckte in Franken anders als in Württemberg, Hessen oder im Elsass. Am Nachmittag wurde nach dem obligatorischen Sonntagsspaziergang im Familienkreis ein selbstgebackener Kuchen serviert. Was vor vier, fünf Jahrzehnten noch der übliche Sonntagsverlauf war, ist heute so gut wie verschwunden. Stattdessen zieht es die Familien mittags ins Fast-Food-Restaurant, wo Einheitsessen serviert wird, das in Stuttgart und Böblingen genauso schmeckt wie in Hamburg, Paris, Mailand und New York.
Die Italiener waren es, die als erste dagegen rebellierten ihre hochentwickelte Esskultur gegen globalisierte Einheitsverpflegung tauschten. In Rom entstand die Slow-Food-Bewegung, die einige Jahre später auch nach Deutschland schwappte. 1992 schlossen sich hierzulande Genießer zu Slow Food Deutschland zusammen. Viele Köche waren anfangs darunter, doch mehr und mehr stießen auch ganz normale Esser dazu. Fast 11 000 Mitglieder hat der Verein mittlerweile bundesweit, die sich in 70 sogenannten Convivien – lateinisch für Tafelrunden – treffen. Das Convivium Stuttgart, das die gesamte Region umfasst, ist eines der größten mit 550 Mitgliedern.
Die Produkte sollen aus der Region kommen
„Die Produkte, die zum Kochen verwendet werden, sollen aus der Region stammen. Das Essen kommt ohne Geschmacksverstärker und Aromastoffe aus uns die Produzenten der Lebensmittel können davon leben“, sagt Alexander Lorenz vom Vorstand des Conviviums Stuttgart. Wichtig ist den Slow-Food-Anhängern auch, dass die Saisonzeiten von Obst und Gemüse berücksichtigt werden: also Erdbeeren im Mai und Juni und nicht im Dezember.
Regelmäßige Treffen
Die Slow-Food-Freunde aus Stuttgart und Umgebung treffen sich zu regelmäßigen Kochstammtischen und Weinproben. Sie organisieren Slow-Food-Messen und versuchen, vergessene regionale Lebensmittel wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Einige Produkte haben so schon eine Renaissance erlebt: die Alb-Linse, die Champagner Bratbirne, das Filderkraut, die Alb-Schnecke. Neben dem eigenen Kochen gehen die Mitglieder auch gerne essen. Doch nur wenige Restaurants erfüllen die strengen Kriterien von Slow Food. „Wir haben in den vergangenen sechs Jahren mehr als 100 Restaurants getestet, nur acht von ihnen haben wir in unserem Genussführer aufgenommen“, sagt Walter Belßner vom Vorstand. Zumeist scheitern die Gastronomen daran, dass sie ihr Fleisch aus Argentinien oder Brasilien beziehen.
Das Argument, dass regionale Lebensmittel nur was für Besserverdienende sind, lassen die Slow-Food-Vorstände nicht gelten. Ganz bewusst grenzen sie sich von den Gourmets ab, bei denen hohe Preise mit ein Kriterium für Qualität sind. „Gutes Essen muss nicht teuer sein“, sagt Belßner. Und so lautet ein weiteres Kriterium, um in den Genussführer aufgenommen zu werden: Ein dreigängiges Menü darf inklusive eines Getränks maximal 40 Euro kosten. Diese Anforderung erfüllt auch Timo Böckle vom Böblinger Restaurant Zum Reussenstein – der einzige Gastronom aus dem Landkreis, der es in den Genussführer geschafft hat.