Die Finanzkrise der kommunalen Ebene hat auch den wirtschaftsstarken Kreis Esslingen erreicht. Landrat Marcel Musolf macht Bund und Land verantwortlich.

Region: Corinna Meinke (com)

Mit einem dicken Minus von 18 Millionen Euro wird der Kreis Esslingen im kommenden Jahr trotz steigender Erträge antreten müssen. Diese Probleme seien nicht hausgemacht, erklärte der Esslinger Landrat Marcel Musolf. Es seien Bund und Land, die den Kommunen, die „in ihrer größten Finanzkrise nach der unmittelbaren Nachkriegszeit stecken, die dringend benötigte Finanzausstattung nicht gewähren“.

 

„Die Ansprüche müssen heruntergeschraubt, die Finanzverteilung zugunsten der kommunalen Ebene geändert, Bürokratie und Standards abgebaut sowie die heimische Wirtschaft massiv gestärkt werden.“ Dieses Credo hat Musolf bei der Einbringung des Haushalts 2026 formuliert. Und die vermutlich rund sieben Millionen Euro pro Jahr aus den Sonderschulden des Bundes seien für die Kreisfinanzen „kein Gamechanger“.

Der Kreis Esslingen erkauft sich Liquidität per Kassenkredit

„Wir brauchen einen finanziellen Befreiungsschlag“, erklärte der Verwaltungschef der Kreisbehörde, der auf die zunehmenden Liquiditätsprobleme aufmerksam machte, die seit mehreren Jahren zu einer Finanzierung per Kassenkrediten führe.

Landrat Marcel Musolf und Kreiskämmerin Sonja Hauschild haben den neuen Etat vorgestellt. Foto: Corinna Meinke

Gleichzeitig lebt der Kreis Esslingen nach Musolfs Worten bereits in diesem Jahr von seinen Rücklagen und das werde auch so bleiben müssen, wenn die Haushaltspläne weiterhin vom Regierungspräsidium genehmigt werden sollen. Den Griff in die Rücklagen habe es in der Vergangenheit auch schon gegeben, erläuterte die Kreiskämmerin Sonja Hauschild ergänzend, aber „heute haben wir Dimensionen, die gab es so noch nicht in einem Jahr“ erklärte die Finanzfachfrau mit Blick auf die rund 40 Millionen Euro, die der Kreis voraussichtlich im Haushaltsjahr 2028 werde entnehmen müssen.

Die Rücklagen im Kreis Esslingen werden bald aufgebraucht sein

Das Stopfen dank der Spardose kann allerdings keine Dauerlösung sein, denn auch Rücklagen sind endlich, wie ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung bis 2029 zeigt. Die fürs kommende Jahr mit rund 103 Millionen Euro bezifferte Summe wird bis 2029 auf 0,5 Millionen Euro abgeschmolzen sein. Entsprechend rechnet der Landrat mit „künftig extrem schwierige Haushaltslagen“. Das wird sich auch auf die Kreisumlage auswirken, mit der sich die Kommunen an der Finanzausstattung des Landkreises beteiligen. Im kommenden Jahr schlägt die Kreisverwaltung demnach einen Anstieg um 0,9 Prozent auf 34,3 Prozent vor, danach könnten es Steigerungen um 1,6 und 1,3 Prozent werden. Einen heftigen Sprung mit 5,4 Prozent könnte es 2029 geben, „ein Szenario, was wir so hoffentlich nicht abbilden müssen“, wie es Musolf beschwichtigend formulierte.

Nach einem Jahrzehnt hoher Investitionen und Ausstattungskosten, Musolf nennt es „Rekordinvestitionen“, die mit 225 Millionen Euro beziffert werden, brauche der Kreis „Zeit zum Luft holen“. Das legt auch der Blick auf den Schuldenstand nahe, der aktuell 260 Millionen Euro beträgt und allein im Jahr 2025 um zehn Prozent gestiegen ist. Ab 2026 soll der Schuldenstand vorerst wieder gesenkt werden, um für künftige Großvorhaben wie den geplanten Bau eines Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums und einer neuen Zwei-Feld-Sporthalle an der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen Kraft zu sammeln.

Die Verwaltung spart an Personal, Gebäuden und im Sozialwesen

Neben der Bildung werde der Kreis auch weiter in Straßen, Radwege, seine Liegenschaften und den Zivilschutz, erinnert sei an den Platz- und Modernisierungsbedarf der Integrierten Leitstelle Esslingen, investieren. Die Finanzplanung sieht bis 2029 rund 72 Millionen Euro an Investitionen vor. Strecken, einsparen und verschieben von Ausgaben dürfte künftig deutlich an Gewicht gewinnen. Den Haushalt 2026 mit einem Umfang von 900 Millionen Euro habe die Verwaltung immerhin um 21 Millionen Euro verschlankt. Die größten Posten machten hier das Personalwesen mit 9,4 Millionen Euro, die Unterhaltung von Verwaltungs- und Schulgebäuden (4,5 Millionen Euro) und das Sozialwesen (3,6 Millionen Euro) aus. Laut Musolf wird es 2026 keine neuen Stellen in der Kernverwaltung geben.

Strategisch neu denken und klug wirtschaften, laute nun die Devise. Dem Reformbedarf will die Verwaltung mit mehr Digitalisierung und einem strategischen Steuerungskreis begegnen. Die eingangs beklagte mangelnde Finanzausstattung durch Bund und Land betreffe laut Musolf insbesondere den Klinikbereich mit einem „absurd hohen Defizitausgleich von vier Millionen Euro 2026“ sowie die Jugend- und die Eingliederungshilfe, die Sozialleistungen für Menschen mit einer Behinderung umfasst.