Dass das Bundesverfassungsgericht der Tübinger Verpackungssteuer seinen Segen gegeben hat, bringt sie auch im Kreis Esslingen wieder aufs politische Tapet. Dennoch gibt es weiterhin auch Skeptiker – zumal ein ganz anderer Faktor eine Einführung wohl vielerorts zumindest verzögern könnte.

Reiner Nußbaum meldet für sich und seine Parteifreunde weiterhin Skepsis an. Die Plochinger CDU-Gemeinderatsfraktion, sagt deren Vorsitzender, sei „bei der Einführung neuer Steuern sehr zurückhaltend“. Ein entschiedenes Nein ist das nicht – und klar doch, Müll in der Stadt zu vermeiden ist auch für Christdemokraten „selbstverständlich“. Aber ein großes Hurra zur nunmehr höchstrichterlich abgesegneten Verpackungssteuer klingt anders. Zuerst hatte Tübingen die Abgabe eingeführt auf Frittenschachteln, Pizzapappen, Burgerboxen und was sonst noch an Abfall anfällt bei Fast Food und To Go. Die Stadt wurde verklagt, das Bundesverfassungsgericht hat nun endgültig juristisch grünes Licht für die Verpackungssteuer gegeben.

 

Damit könnte sie allerorten wieder ausgepackt werden, nachdem sie vorher eingepackt war in den Vorbehalt „unsichere Rechtslage“. Heidelberg hat prompt ihre Einführung beschlossen, Konstanz und weitere Städte im Land von Mannheim über Göppingen bis Ravensburg haben dies schon vor längerem getan. Andererseits ist die Plochinger CDU im Kreis Esslingen nicht allein mit ihrer Zurückhaltung. Zu bürokratisch, zu personalintensiv, zu geringer Ertrag nach Abzug der Unkosten: So lauten die Einwände. Immerhin: Tübingen nimmt laut Oberbürgermeister Boris Palmer rund eine Million Euro im Jahr ein, musste aber auch zwei neue Stellen in der Kämmerei schaffen.

Der Kirchheimer Oberbürgermeister Pascal Bader ergänzt die umgekehrte Rechnung: „Jährlich wenden wir ungefähr eine Million Euro an Sach- und Personalkosten für die Stadtreinigung auf. Die wachsende Menge an Verpackungsmüll, vor allem durch To-go-Angebote, ist zu einer echten Herausforderung geworden.“ Aus Kirchheim kommen daher entschiedene Töne: Die Stadt „plant die Einführung einer Verpackungssteuer“, sagt Pressesprecherin Doreen Edel.

Neuer Verzögerungsfaktor: die Grundsteuerreform

Doch ein neuer Verzögerungsfaktor ist für viele Kommunen die Überschneidung mit der Grundsteuerreform. So teilt der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer auf Anfrage mit: „Für eine zeitnahe Einführung einer Verpackungssteuer haben wir aufgrund der Grundsteuerreform nicht die personellen Kapazitäten.“ Klopfer betont aber auch: „Grundsätzlich halte ich eine solche Steuer für richtig.“ Ostfildern hingegen hat das Thema ad acta gelegt, zumindest bis 2027, sagt Pressesprecherin Tanja Eisbrenner: „Der Fokus liegt aktuell auf der Umsetzung der Grundsteuerreform, die voraussichtlich bis 2026 die Kapazitäten binden wird.“ Nürtingen wiederum wird „die Urteilsbegründung abwarten und dann das Thema noch einmal aufgreifen“, erklärt Stadtsprecher Clint Metzger. Plochingens Bürgermeister Frank Buß fragt sich indes, ob nicht der Landkreis oder die Region aktiv werden müssten: „Wir haben in Plochingen einen großen Bahnhof, wo viele Leute nur umsteigen, aber ihre To-Go-Becher wegschmeißen. Dieser Müll ist kein lokales Problem.“ Er sei „offen“ für eine Verpackungssteuer, sagt Buß, aber erst müsse eine „sachgerechte Prüfung auch von Detailfragen“ erfolgen.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat die Verpackungssteuer durch alle Instanzen gefochten. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

In jedem Fall kommt die Verpackungssteuer zurück aufs kommunalpolitische Tapet. Die Plochinger Offene Grüne Liste (OGL), die ihren Antrag auf Einführung erst im Dezember wegen des noch laufendes Verfahrens zurückgezogen hatte, will ihn erneut stellen, wenn die künftige Bundesregierung keine Plastiksteuer gemäß EU-Recht einführt, sagt Fraktionsvorsitzende Silvia Ergin. Die Esslinger Grünen-Fraktion hat bereits einen Antrag gestellt. „Wir haben nur auf das Urteil gewartet“, sagt die Vorsitzende Carmen Tittel. Ihr CDU-Kollege Tim Hauser hält dagegen: „Eine Verpackungssteuer sehen wir kritisch. Sie würde die stark belastete Gastronomie weiter unter Druck setzen.“