Das Kreisjugendamt möchte nicht mehr die Göppinger Theatertage ausrichten. Jetzt steht das renommierte Festival auf der Kippe.

Region: Corinna Meinke (com)

Kreis Göppingen - Wenn es nach Lothar Hilger geht, wird das Kreisjugendamt die Göppinger Theatertage abgeben oder kippen. Der Leiter des Kreisjugendamtes stellt gegenüber den Kreisräten die Organisation und Durchführung des traditionsreichen Festivals durch sein Amt infrage, was mangels anderer Träger wohl deren Ende bedeuten würde. Hilger legt Wert darauf, nicht als Theaterbanause verstanden zu werden, aber die personellen und finanziellen Anforderungen dieses freiwilligen Angebots stünden im Widerspruch zu den Pflichtaufgaben seines Amtes, argumentiert er.

 

Die Zuschauerzahl ist gesunken

Wasser auf Hilgers Mühlen liefert die erstmals stark gesunkene Zahl an Zuschauern, die dem Kreis einen Abmangel von 20 000 Euro beschert hat. Schwerer wiege allerdings der zusätzliche personelle Einsatz mit 750 Arbeitsstunden pro Jahr, moniert Hilger, die als Überstunden gerechnet werden müssten und einer halben Personalstelle entsprächen. Unternehmen unterstützen die Theatertage mit 26 000 Euro; 15 000 Euro kommen von der Stadt. „Die Gelder der Theatertage kommen aber nicht bei unseren eigentlichen Kunden an“, beklagt Hilger die finanzielle Lage. „Wir haben sehr hohe Verpflichtungen gegenüber Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Wir tragen die Fürsorgepflicht für die Sicherung des Unterhalts und des Kindeswohls“ – alles Pflichtaufgaben, die den Kreis jährlich 27 Millionen Euro kosten.

Dazu kommen weitere drei Millionen freiwillige Leistungen, zu denen die Förderung der Häuser der Familie, von Beratungsstellen oder auch des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ gehörten – und eben die Theatertage. Die Grundlage dafür sei eine Förderrichtlinie, die das Kreisjugendamt im Jahr 1963 formuliert habe. Darin heiße es sinngemäß, gefördert werde die sinnvolle Beschäftigung junger Menschen im Rahmen der Jugendkulturarbeit.

Die Zeichen stehen auf Sparen

Allerdings mehrt sich die Kritik an diesem Engagement. So kam eine vom Kreis beauftragte Unternehmensberatung, die das Amt nach Einsparmöglichkeiten durchforstete, in ihrer Organisationsuntersuchung zu dem Schluss, dass die Theatertage keinen inhaltlichen Bezug zum Kreisjugendamt hätten und daher nach alternativen Ausrichtern gesucht werden solle.

Mit Blick auf die genannten freiwilligen Leistungen wollte der Kreis längst eine Kulturrichtlinie festlegen; sie liegt auf Eis, seit die Zeichen auf Sparen stehen. Der Landrat Edgar Wolff erbat jüngst von den Kreisräten mehr Zeit für einen ausgewogenen Vorschlag; man wolle den traditionsreichen Theatertagen keinen Schaden zufügen. Aber Hilger sieht keine potenziellen Ausrichter, seit die Stadt Göppingen und auch freie Theater abgewunken hätten. Und der Freundeskreis Theatertage mit den Fachleitern Ralf Rummel und Uwe Wittmann könne das Festival nicht alleine stemmen, sagt er.

Tradition seit 1963

Seit 1963 gefällt sich der Kreis als Gastgeber des mehrtägigen internationalen Theaterfestivals, zu dem Amateurtheatergruppen aus dem In- und Ausland alle zwei Jahre eingeladen werden. Das Festival genieße bundesweit einen herausragenden Ruf, sagten Künstler im vergangenen Jahr und lobten die gemeinsame Stückekritik, die Atmosphäre und das Programm. Es gastierten elf Ensembles mit ebenso vielen Vorstellungen in der Stadt, die anders als das benachbarte Esslingen über keine eigene Bühne verfügt, aber Spielort für Tourneetheater ist.

Zum fünften Mal fand parallel dazu die Theaterwerkstatt für Kinder und Jugendliche statt. Dafür sind die Anmeldungen rückläufig. Besser stünden die Chancen für die Teilnahme, wären die Theatertage statt im November im zweiten Schulhalbjahr angesetzt. Theaterspielen sei wertvoll, weil es die Persönlichkeit stabilisiere, sagt die geschäftsführende Schulleiterin der Göppinger Gymnasien, Susanne Stephan.