Der Streit um die Strohgäubahn offenbart nicht nur Probleme entlang der Schiene. Er wirft auch ein Licht auf das Verhältnis von Behörden und Bürger.

Strohgäu - Wie der Streit um den Lärmschutz an der Strohgäubahn ausgeht, ist offen. Die Verhandlung vor dem Mannheimer Verwaltungsgerichtshof ist auf Ende November vertagt. Vorher wird nicht entschieden, ob der Kläger Thomas Herwig, ein Anwohner nahe der Bahnwerkstatt in Korntal, ein Recht auf Schutz hat.

 

Das ist freilich nicht die einzige Baustelle auf der Strecke zwischen Korntal am Rande der Landeshauptstadt und dem Ditzinger Stadtteil Heimerdingen, hinter dem, so sagt man, gleich der Schwarzwald beginne. Auch dort, in Heimerdingen, ist die Frage nach der Notwendigkeit des Lärmschutzes unbeantwortet. Die Genehmigung für den Umbau des Bahnhofs steht deshalb aus. Anwohner fordern eine Schalldämmung, die Behörden halten sie für lässlich.

Hier wie dort sprechen derzeit die Gutachter. Hier wie dort hätte die Allgemeinheit, Hunderttausende Euro zu bezahlen, um vergleichsweise wenige Bürger vor Lärm zu schützen, Die Kosten für die bisher schon 50 Millionen Euro teure Modernisierung der Bahn stiegen weiter. Offen sagt dies freilich keine Behörde. Doch die beteiligten Ämter sind latent verärgert über die Anwohner, die mit juristischen Mitteln ihr Recht durchsetzen wollen. „Wenn so etwas bei anderen Großprojekten auch geschieht, werden wir bald gar nichts mehr realisieren können“, poltert der Landrat Rainer Haas. Der Ditzinger Rathauschef Michael Makurath spricht gern von Partikularinteressen. Die Anwohner halten dagegen. „Ich finde es nicht gut, dass man Gutachten vorschiebt, die nicht den Tatsachen entsprechen“, sagt etwa Hermann Heer, ein Anwohner und Grundstücksbesitzer am Heimerdinger Bahnhof.

Der Landrat poltert, die Anwohner halten dagegen

Er kritisiert, dass die Gutachten zur Lärmbelastung auf Basis einerseits völlig veralteter Planunterlagen erstellt worden seien. „Seit Jahren bestehende Gebäude sind nicht dargestellt und andere bestehende Gebäude bleiben völlig unberücksichtigt.“ Dabei bezögen sich die Einsprüche der Anwohner eben just auf diese Gebäude. Andererseits sei der Bahnhof kein Durchgangsbahnhof, wie der Bahnbetreiber dargelegt habe. „Da Heimerdingen Endhaltepunkt werden soll, entstehen Lärmquellen, die bei einem Durchgangsbahnhof nicht vorhanden sind.“ Das Verfahren läuft, offen ist, wann und mit welchen Auflagen das Regierungspräsidium den Umbau genehmigt. Inoffiziell heißt es, im Jahr 2017 passiere nichts mehr.

Fahrten trotz fehlender Genehmigung

Ein Bahnbetrieb sei „eines der letzten großen Abenteuer dieser Welt“, sagt der Ditzinger Oberbürgermeister Makurath mit Blick auf die Vielzahl der Beteiligten. Land, Aufsichtsbehörde, Bahnbetreiber, Kommunen und Bürger wirken mit. Die Verwaltungsrichter vermittelten den Eindruck, kein Beteiligter habe in dem Projekt alles richtig gemacht.

Der Bahnbetreiber, der Zweckverband, war konkrete Zahlen schuldig geblieben. „Wir sind nicht zu 100 Prozent glücklich mit dem, was vorliegt“, ließen die Richter wissen und forderten Zahlen aus dem Jahr 2013, dem Jahr der Genehmigung. Unabhängig davon ist weiterhin völlig unklar, ob der Lärm der Strohgäubahn im Krach der Güterzüge, wie von den Behörden vorgebracht, nicht ohnehin untergeht und es dort so laut ist, dass Herwig dort gar nicht wohnen dürfte. Das Land wiederum, vertreten durch das Regierungspräsidium, musste noch in der Sitzung darlegen, was es in seinem Planfeststellungsbeschluss genehmigt hatte. „Ein Planfeststellungsbeschluss sollte aus sich heraus verständlich sein“, rüffelten die Richter. Nach einer noch in der Verhandlung erfolgten Präzisierung war klar, dass der Status Quo – der Fahrtbeginn morgens in Korntal – nicht genehmigt ist. Gleichwohl starten die Züge weiterhin dort, diese Praxis soll nun nachträglich genehmigt werden. Beabsichtigt – und genehmigt – war, morgens von Heimerdingen aus zu starten. Weil dafür der Bahnhof umgebaut werden muss, plante der Zweckverband um, ließ sich das aber nicht genehmigen.

Dass Heimerdingen bisher nicht angefahren wird, liegt indes nicht am Widerstand einzelner Bürger. Noch hat das Eisenbahnbundesamt die Software für Signaltechnik, die zwar in Korntal eingebaut werden muss, aber Auswirkungen bis nach Heimerdingen hat, nicht freigegeben. Wer dafür Verantwortung trägt, die Eigentümerin Württembergische Eisenbahngesellschaft oder deren Subunternehmer Thales, lassen beide offen. Das Bähnle soll nicht vor Frühjahr 2018 nach Heimerdingen fahren.