Ein Projekt in Gerlingen soll mehr niedergelassene Hebammen bringen. Verband und Krankenhäuser beklagen seit langem Überlastung, weil es kaum noch frei schaffende Geburtshelferinnen gibt.

Ludwigsburg - Die Klage von Jutta Eichenauer ist nicht neu: „Ludwigsburg ist eine ganz schlimme, unterversorgte Ecke“, sagt sie. Eichenauer ist die Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg und fordert seit Jahren, dass es in den Krankenhäusern und Städten mehr Hebammen gibt. „Uns droht eine Unterversorgung mit Hebammenhilfe.“

 

30 bis 40 Frauen müssen ohne Geburtsvorbereitung und Nachsorge auskommen

Wie viele Hebammen im Landkreis arbeiten, weiß sie nicht, denn es besteht keine Meldepflicht beim Verband. Klar sei aber, dass es weniger würden, weil es wegen schlechter Bezahlung und steigender Versicherungsprämien schwieriger werde, den Beruf auszuüben. Frei schaffende, so genannte niedergelassene Hebammen, müssen sich mit sehr hohen Prämien gegen Geburtsfehler versichern. Eine Abfrage bei Frauenärzten im Kreis ergibt: es existiert eine Liste mit 25 Hebammen im Landkreis, an die Schwangere sich wenden können.

Auch Carola Lienig, leitende Hebamme am Bietigheimer Krankenhaus, ist sich sicher: „Ganz frei zu arbeiten ist mittlerweile zu unlukrativ. Viele Hebammen haben kapituliert.“ Sie schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der Frauen im Landkreis mangels Angebot ohne Geburtsvorbereitung und Nachsorge auskommen müssen.

Im Gebiet des Pflegeverbunds Strohgäu-Glems fehlen ebenfalls Hebammen für die Nachsorge-Betreuung. Die Zahl der Geburtshelferinnen sei seit fünf Jahren um ein Viertel zurückgegangen, berichtete der Verbunds-Geschäftsführer Reinhard Ernst. Dieser Zustand soll sich aber jetzt ändern. In Zusammenarbeit mit dem Hebammenverband Baden-Württemberg hat Ernst für den Pflegeverbund ein gemeinsames Modell entwickelt. Auf diesem Weg will man mehr Hebammen für die ambulante Arbeit im Gebiet Gerlingen/Leonberg gewinnen und den Schwangeren und jungen Müttern mehr Sicherheit geben. Als Standort ist ein ehemaliger Kindergarten in Leonberg vorgesehen, Kurs-, Beratungs- und Behandlungsräume sind eingerichtet.

Für die Arbeit im Kreißsaal werden die Hebammen angestellt

Die Krankenhäuser in Ludwigsburg und Bietigheim – die beiden Kliniken im Landkreis, die über Geburtsabteilungen verfügen – bedienen sich im Hinblick auf die hohen Versicherungsprämien der Hebammen eines Tricks: „Unsere Hebammen sind für die Tätigkeit im Kreißsaal fest angestellt“, erklärt Alexander Tsongas, der Pressesprecher der Kliniken-Holding. Darüber hinaus haben Hebammen die Möglichkeit, Geburtsvorbereitung oder Nachsorge bei den Eltern direkt anzubieten – dann aber wieder als Selbstständige und ohne den Versicherungsschutz durch die Holding. Im Bietigheimer Krankenhaus arbeiten derzeit 24 Hebammen auf 13,25 Stellen, in Ludwigsburg sind es 18,77 Stellen, verteilt auf 30 Köpfe. Damit sei man in beiden Häusern voll besetzt, sagt Tsongas.

Trotzdem komme man im Krankenhaus kaum hinterher, findet Carola Lienig: „Wir werden überrannt mit Anfragen.“ Das liege zum Teil auch daran, dass es außerhalb der Krankenhäuser keine Geburtshilfe mehr gebe und die Mütter dann auch zur Vorbereitung und Nachsorge in die Klinik kämen.

Die Krankenhäuser in Bietigheim und Ludwigsburg bieten seit 1997 Kurse für Eltern vor, während und nach der Schwangerschaft an. Auch eine Hebammen-Sprechstunde sei völlig überlaufen. In Bietigheim gibt es darüber hinaus seit dem Jahr 2011 einen Hebammen-Kreißsaal, in dem Frauen mit intensiverer Betreuung einer Hebamme ihr Kind zur Welt bringen können, „mit der Sicherheit einer Klinik im Hintergrund“, erklärt Lienig. Für das Projekt bräuchte sie allerdings zwei Planstellen mehr. „Momentan wird das mit Überstunden kompensiert.“