Der Kreistag stimmt am Freitag über fünf neue Wohnstandorte für Asylbewerber ab. Vielerorts wächst der Unmut in der Bevölkerung – jüngst etwa im Örtchen Spielberg mit 384 Einwohnern, wo 50 Unterkunftsplätze geplant sind.

Sachsenheim - Der Hilferuf des Spielberger Ortschaftsrats hat die Kreisräte gerade noch rechtzeitig erreicht. Am Mittwoch, zwei Tage vor der Abstimmung über Unterkünfte an fünf Standorten im Kreis, haben die Vertreter des zu Sachsenheim gehörenden 384-Seelen-Ortes eine E-Mail ans Landratsamt und die politischen Vertreter im Kreistag verschickt. 50 neue Plätze für Flüchtlinge plant der Kreis in einem Neubau auf dem Areal der ehemaligen Gaststätte Ochsen. „Funktionierende Integration schafft man nur durch persönliche Bindung“, heißt es in dem offenen Schreiben. Das sei angesichts der hohen Zahl der Flüchtlinge und der geringen Zahl der Spielberger problematisch. „Der soziale Faktor fällt hinten runter“, sagt das Ortschaftsratsmitglied Daniel Ott (CDU). In Spielberg gebe es weder Schule noch Kindergarten oder Kirche. Eine so hohe Zahl von Flüchtlingen sei für die Dorfgemeinschaft nicht zu verkraften.

 

Ortschaftsrat sieht die Entwicklung von Spielberg gefährdet

Tatsächlich ist das Vorhaben in Spielberg bislang singulär im Landkreis, was man an einer einfachen Kenngröße sieht: Die Zahl der Flüchtlinge pro 1000 Einwohnern schwankt im Kreis üblicherweise zwischen 0 und 11,4 (Oberriexingen). In Spielberg läge sie bei mehr als 100. Der Ortschaftsrat sieht die Entwicklung des Dorfes gefährdet, dem Arbeitskreis Asyl drohe daher „Frustration und der Kollaps“.

Man habe Verständnis dafür, dass die Anwohner zunächst besorgt seien, sagt der Sprecher der Landratsamts, Andreas Fritz. Jedoch hätten die bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass die Nachbarn nicht beunruhigt sein müssten. Was die Wahl der Standorte angehe, könne das Landratsamt nicht wählerisch sein. Schließlich habe auch der Kreis seine Unterbringungsverpflichtung zu erfüllen, sagt Fritz.

Bei der Stadtverwaltung in Sachsenheim zeigt man Verständnis für die Nöte des Landkreises. „Wir sehen die Notwendigkeit, Wohnraum zu finden“, sagt Nicole Raichle, die Referentin von Bürgermeister Horst Fiedler. Doch müsse auch der Proporz, also das Verhältnis zwischen Flüchtlingen und Einwohnern, stimmen. Für die geplante Unterkunft in Spielberg wünsche sich die Verwaltung vor allem eine gute Durchmischung der neuen Bewohner: „Nicht nur einzelne Männer, sondern auch Familien“ sollten es sein. Raichle stellt aber auch klar, dass man seitens der Stadt auf die Entscheidungen der Landratsamts keinen Einfluss nehmen könne – und auch nicht wolle. Der Spielberger Ochsen sei schließlich ein Privatverkauf. Der Ortschaftsrat Daniel Ott ist da anderer Meinung: „Die Stadt hätte schon etwas machen können, wenn sie gewollt hätte.“

Die Stadt will keinen Konflikt mit dem Landratsamt

Das Vorgehen der Stadt Sachsenheim war jüngst auch Thema bei einer Bürgerveranstaltung zum Thema Asyl. Auf den Vorwurf, warum die Stadt das ehemalige Gasthaus nicht selbst gekauft habe, antwortete Bürgermeister Fiedler: „Wir werden uns nicht in ein Wettbieten mit dem Landratsamt begeben.“

Dass die Kommunen gar keine Möglichkeit haben, sich gegen die Entscheidungen des Kreises zu wehren, stimmt aber nur teilweise. Wenn sie eine Nutzung wie in Spielberg mit geplantem Neubau partout nicht haben wollen, könnten sie ihre Planungshoheit in die Waagschale werfen. Die bloße Androhung eines Bebauungsplans, gepaart mit einer Veränderungssperre, würde das Landratsamt schnell zu einem Kompromiss bewegen. So ist es vermutlich kein Zufall, dass es ähnliche Pläne für Unterkünfte etwa im unweit gelegenen Gündelbach nicht gibt. In dem ländlichen Stadtteil von Vaihingen/Enz gäbe es „die Zustimmung der Stadt womöglich nicht so einfach“, wie der Oberbürgermeister Gerd Maisch sagt. In Sachsenheim will man aber keinen offenen Konflikt mit dem Kreis. „Wir wollen einen Konsens mit dem Landratsamt“, sagt die Sachsenheimer Referentin Nicole Raischle.

In Kornwestheim hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet, die explizit nicht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gerichtet sein soll, sondern für „sozialverträgliches Wohnen in Kornwestheim-Süd“. Hintergrund: Kornwestheim ist eine der Städte, die am meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, zudem sind weitere 120 Plätze vorgesehen. Kritisch blickt man in Kornwestheim und Vaihingen/Enz derweil des Öfteren nach Bietigheim-Bissingen. Dort verläuft der Ausbau von Unterkünften bislang weniger schnell.