Was den Naturschützer freut, ist des Schäfers Not: In etwa zehn Jahren werden auch in Baden-Württemberg Wölfe dauerhaft leben, schätzt Markus Rösler, der Nabu-Wolfsbeauftragte. „Wie schütze ich dann meine Herde?“, fragt der Schäfer Edmund Wörner.

Kreis Ludwigsburg- - Der Wolf hat ein schlechtes Image. Spätestens seit Ende Juni bei Lahr im Schwarzwald ein totes Tier an der Autobahn gefunden wurde, sind die Schäfer alarmiert. Der Markgröninger Stadtschäfer Edmund Wörner und der Nabu-Wolfsbeauftragte und grüne Landtagsabgeordnete Markus Rösler fragen sich, ob Naturschutz, Schafe und der Wolf eine friedliche Koexistenz finden können. Um das zu erforschen, stellt das Land 200 000 Euro für ein Projekt zur Verfügung. Zudem gibt es einen 10 000-Euro-Wolfsfonds für den Schadenfall.
Herr Wörner, haben Sie Angst vorm Wolf?
Wörner Ich weniger, aber meine Schafe.
Hat Sie der jüngst in Baden-Württemberg gefundene Wolf alarmiert?
Wörner Bei uns in der Gegend hat es so viel Verkehr und so wenig Wald, dass da kein Wolf herkommen wird.
Was sind für Ihre Schafe im Moment die realen Gefahren?
Wörner Bis jetzt ist das höchstens mal ein entlaufener oder wildernder Hund, der sich an die Schafe ranmacht. Aber wenn wir Wölfe hätten, wäre das schon anders.
Ist der Autoverkehr ein Problem?
Wörner Ich bin ja dabei, da muss ich halt aufpassen. In Markgröningen muss man oft über die Straße. Hier gibt es keine großen zusammenhängenden Flächen. Da muss man täglich laufen. Jetzt, wo es so trocken ist, muss man die Schafe auch zum Wasser bringen.
Ist der Wolf bei den Schäfern ein Thema?
Wörner In der „Schäferzeitung“ schon. Und im Schwarzwald, wo er eher hinkommen kann, da schon.
Können Sie diese Angst nachvollziehen, Herr Rösler?
Rösler Natürlich. Man weiß ja, dass der Wolf Schafe fressen kann. Und wenn er welche erwischt, kann er entsprechende Schäden anrichten.
Reden wir von einem Phantom, oder ist es wahrscheinlich, dass der Wolf durch den Landkreis Ludwigsburg spaziert?
Rösler Im Augenblick ist es wahrscheinlich ein Phantom. Aber es ist irgendwann möglich. Am ehesten wird er durch den Nordteil spazieren. Sprich: durch den Naturpark Stromberg-Heuchelberg, wo ja 1847 der zweitletzte Wolf von Baden-Württemberg nachgewiesen worden ist. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen weiß man, dass Wölfe erstaunlich präzise dort wieder auftauchen, wo sie vor Jahrhunderten einmal das letzte Mal nachgewiesen oder abgeschossen worden sind.
Wie kommt das?
Rösler Es gibt wahrscheinlich gewisse Landmarken, die einfach günstig sind für das Wanderverhalten. Der Wolf kann in 24 Stunden über 70 Kilometer zurücklegen. 2011 ist ein Wolf aus der alpinen Population quer durch Süddeutschland oder die Vogesen bis nach Nordhessen und Nordrhein-Westfalen und dann quer durch Norddeutschland gelaufen. Kein Mensch hat ihn gesehen auf dem Weg. Das heißt: Wölfe können da sein, ohne dass sie jemand bemerkt. Wir haben in Deutschland derzeit rund 300 Wölfe. 60 davon sind 2015 schon überfahren worden. Das ist die häufigste Todesursache nach dem – derzeit offensichtlich zunehmenden – illegalen Abschuss.