Die Stadt Freiberg am Neckar möchte umliegende Kommunen am Neubau der Oscar-Paret-Schule beteiligen. Das stößt nicht nur auf Wohlwollen, scheint aber ein lösbarer Konflikt. Richtig Ärger droht indes mit der Baufirma.
Freiberg am Neckar - Für Freiberg am Neckar (Kreis Ludwigsburg) ist der Neubau der Oscar-Paret-Schule (OPS) ein Meilenstein. Das komplette Stadtzentrum wird umgemodelt, am Ende wird ein topmodernes Schulzentrum stehen. Das werden – wie bisher schon – auch Schüler umliegender Kommunen besuchen. Deshalb will Freiberg nicht die gesamten Kosten tragen.
Die Beteiligung
Die Idee, die 81 Millionen für den Neubau unter mehreren Kommunen aufzuteilen, ist den Verantwortlichen im Freiberger Rathaus nicht über Nacht gekommen. 2018 wurde das Verfahren offiziell eingeleitet, die ersten Gespräche hatte Bürgermeister Dirk Schaible schon davor geführt. Seine Stadt trage mit dem großen Schulzentrum, das Gemeinschaftsschule, Realschule und Gymnasium unter einem Dach eint, eine besondere Last. Zwei Drittel der Gemeinschaftsschüler kommen nicht aus Freiberg, am Gymnasium und der Realschule machen Auswärtige knapp 43 Prozent aus. „Ich halte es für recht und billig, die, die ebenfalls von der neuen Schule profitieren, daran zu beteiligen“, sagt Schaible. Aufgeteilt werden sollen nicht die kompletten Kosten, abgezogen werden Fördermittel und die Nutzung der Sporthalle, die ebenfalls neu gebaut wird. Unter dem Strich steht eine Summe von 60 Millionen Euro, die aufgeteilt werden müssen.
Die Grundlage
Die rechtliche Grundlage findet sich im Schulgesetz. In Paragraf 31 ist festgelegt, dass Gemeinden, Landkreise und Regionalverbände mit Zustimmung des Kultusministeriums sogenannte Schulverbände bilden oder öffentlich-rechtliche Vereinbarungen abschließen können. Und auch ein Urteil des Landgerichts Stuttgart dürfte die Freiberger bestärken.
Es entschied im Jahr 2015, dass Geislingen (Kreis Göppingen) die Sanierungskosten für das Michelberg-Gymnasium nicht alleine tragen muss. Das Kultusministerium hatte zehn Gemeinden angewiesen, sich zu beteiligen, daraufhin waren diese vor Gericht gezogen. Im Urteil wurde allerdings festgehalten, dass Städte und Gemeinden, die eine neue Schule bauen, nicht nach Gutdünken vorgehen dürfen. Sie müssen nur dann zahlen, wenn der Anteil der auswärtigen Schüler einer Schule seit fünf Jahren mindestens 50 Prozent beträgt.
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Gemeinsam mit dem Regierungspräsidium (RP) hat sich die Stadt Freiberg im Falle der OPS auf eine „Bagatellgrenze“ geeinigt. Demnach wurden Kommunen, aus denen über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht mehr als fünf Schülern an eine der drei Schularten gingen, ausgeschlossen. So blieben fünf Gemeinden übrig: Benningen, Mundelsheim, Steinheim, Ingersheim und Pleidelsheim.
Das weitere Vorgehen
Laut Schaible liegt eine „beschlussfertige Lösung“ auf dem Tisch, über die allerdings noch die einzelnen Gemeinderäte abstimmen müssen. Das soll bis Ende April geschehen. Der Freiberger Rathauschef spricht von einem „Kraftakt“ und einem „mühsamen Prozess“ bis hierhin. „Das ist aber auch klar. Da treffen völlig konträre Interessen aufeinander“, so Schaible. Aber das Verständnis für die jeweils andere Seite sei bei den Beratungen in den vergangenen Monaten gewachsen. Er sei guter Hoffnung, dass man sich mit den fünf anderen Gemeinden einig werde.
Kommt keine Vereinbarung zustande, kann die Stadt eine Anfrage an das Kultusministerium stellen, ob die Voraussetzungen nach dem Schulgesetz vorliegen. Ist die Antwort positiv, wird in der dritten Phase erneut versucht, sich auf freiwilliger Basis zu einigen. Scheitern die Kommunen erneut daran, könnte Freiberg auch klagen. „Das ist aber die allerletzte Variante“, sagt Dirk Schaible. Notfalls sei man aber bereit dazu, juristische Mittel zu nutzen.
Die anderen Kommunen
Böses Blut herrscht wegen des Vorstoßes aus Freiberg zwischen der Stadt am Neckar und den umliegenden Gemeinden nicht, Freudensprünge machen die Rathauschefs in Benningen, Mundelsheim, Steinheim, Ingersheim und Pleidelsheim verständlicherweise aber auch nicht. „In der Sache muss man sich nicht immer einig sein“, sagt beispielsweise Steinheims Bürgermeister Thomas Winterhalter. Schließlich gehe es um viel Geld. „Aber wir sind immer noch alle Kollegen.“ Weniger diplomatisch formuliert es Volker Godel, der noch bis Mai in Ingersheim das Sagen hat: „Das ist schon eine neue Qualität, der wir uns stellen müssen.“ Godel zieht ein Beispiel zurate. Seit den 70er-Jahren gibt es eine Vereinbarung zwischen Ingersheim, Tamm und Bietigheim-Bissingen. Demnach stellt Bietigheim den beiden anderen Gemeinden seine öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung. „Wenn da etwas erneuert wurde, hat Bietigheim noch nie Geld verlangt“, so Godel.
Der Baufortschritt
Eigentlich soll am 17. Juli Richtfest der neuen Oscar-Paret-Schule gefeiert werden, als Eröffnungstermin ist das Schuljahr 2021/22 anvisiert. Doch wenn die Baufirma Wolfer & Goebel aus Stuttgart so weitermacht wie bisher, wird daraus sicher nichts. Die Stadt Freiberg mahnt bereits seit vergangenen Oktober Rückstände an. Dem ersten Beigeordneten Stefan Kegreiß sei mehrfach versprochen worden, die Rückstände aufzuholen. Im Januar wurde laut Verwaltung zumindest ein vierter Baukran aufgestellt, der sei aber nicht immer in Betrieb, so Kegreiß.
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Die Baufirma geht inzwischen von einer Verzögerung von bis zu einem halben Jahr aus. Allerdings – so lautet das Angebot an die Stadt – könne man den Rückstand auf drei Monate herunterschrauben. Voraussetzung hierfür: Die Stadt zahlt nochmal 2,1 Millionen Euro obendrauf.
Die Konsequenzen
Erpressung könnte man das nennen, Bürgermeister Schaible spricht lediglich von „großer Verwunderung“, die sich nach diesem Vorschlag im Rathaus breitgemacht habe. „Im Zeitplan sind zwar keine großen Puffer eingeplant, aber das kann man schon schaffen“, so Schaible. Einen Fehler habe die Stadt bei vertraglichen Details nicht gemacht, zusätzliches Geld werde man deshalb auch nicht zahlen. Die Rathausspitze hat nun weitere Schritte, die in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, festgelegt sind, eingeleitet. Sie regelt Bedingungen bei Bauprojekten, die die öffentliche Hand beauftragt hat. Letzter Ausweg: ein Rechtsstreit. „Auch in diesem Fall schrecken wir nicht davor zurück“, sagt Schaible.
Teuer könnte es auch deshalb werden, weil die Verzögerungen beim Erd- und Rohbau sich auch auf die Handwerker auswirken, die danach loslegen wollen. Wenn das zum vereinbarten Zeitpunkt nicht möglich ist, drohen Schadenersatzforderungen. Die würde die Stadt Freiberg am Neckar gegebenenfalls an die Baufirma in Stuttgart weitergeben. Derzeit laufen Gespräche zwischen der Verwaltung und den Verantwortlichen bei Wolfer & Goebel. „Wir sind offen für das, was die Firma vorschlägt“, sagt Dirk Schaible.