Auf dem zukünftigen Gewerbegebiet Galgenfeld in Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) finden aktuell archäologische Rettungsgrabungen statt. Dabei wurden spektakuläre Funde aus der Jungsteinzeit freigelegt.
Am Vaihinger „Galgenfeld“ machen Archäologen zur Zeit eine spannende Reise in die Vergangenheit. Das Gebiet liegt im Bereich des Kulturdenkmals „Neolithische Siedlung“. Immer wieder waren seit 1987 bei Erschließungsarbeiten und Baumaßnahmen in direkter Nachbarschaft so genannte bandkeramische Siedlungsspuren und Gräber der Jungsteinzeit (etwa 5000 vor Christus) entdeckt worden. „Funde von Tonscherben im Acker durch die Landwirte oder Luftbilderfunde weisen auf Menschengemachtes hin“, sagt Felicitas Schmitt vom Landesamt für Denkmalpflege.
Seit September laufen deshalb auf dem vier Hektar großen Areal zwischen der B 10 Richtung Pforzheim und der Stuttgarter Straße im Gewann Galgenfeld archäologische Rettungsgrabungen. Diese wurden im Vorfeld der Erschließung des geplanten Gewerbegebietes „Wolfsberg IV“ vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart angeordnet und bestätigen die Vermutung, dass auch hier Menschen gesiedelt haben könnten.
Bei Ausgrabungen gefunden: Mann mit Axt als Grabbeigabe
Die Fachfirma Archaeo Connect aus Tübingen führt die Ausgrabungen durch. Der wohl spektakulärste Fund ist das Skelett eines Mannes und eine danebenliegende Axt. „Das männliche Individuum in Hockerbestattung mit polierter Steinaxt lässt sich zeitlich in das Endneolithikum, also ans Ende der Jungsteinzeit, einordnen“, erklärt Schmitt. Das bedeutet: Der Fund stammt aus dem dritten Jahrtausend vor Christus und ist somit 5000 Jahre alt. „Der Verstorbene ist ziemlich sicher nicht gewaltvoll oder unter Fremdeinwirkung ums Leben gekommen, sondern normal bestattet worden“, sagt Schmitt. Die Axt sei höchstwahrscheinlich eine Grabbeigabe gewesen. Wegen ihres hervorragenden Zustands könnte man denken, sie stamme aus einem Baumarkt. Doch der Schlagkopf besteht nicht aus Metall, sondern aus einem sehr aufwendig und fein poliertem Stein. Das Loch in der Mitte, in dem einmal ein Griff war, ist so perfekt, als wär es mit einer Bohrmaschine gemacht. Das Gestein der Axt, ein Amphibolit, stammt am ehesten aus dem Schwarzwald oder dem Odenwald. „Es könnte durch Tauschgeschäfte oder eine Brautbeigabe hier gelandet sein“, vermutet Schmitt.
In einem weiteren Grab entdeckten die Archäologen eine Mutter mit ihrem Kind. Die Fachleute schätzen, dass das Kind nicht älter als ein Jahr gewesen sei. Die beiden stammen vermutlich ebenfalls aus dem Endneolithikum und sind damit viel älter als beispielsweise der berühmte Keltenfürst von Hochdorf, der etwa um 530 bis 520 vor Christus bestattet wurde.
Vaihinger Galgenfeld: Hinweise auf 7000 Jahre alte Siedlung
Außerdem gebe es eine Vielzahl von Gruben und Pfostenlöchern, die für Behausungen sprechen. „Abgesehen von den bislang zwei Gräbern mit drei Individuen fallen die anderen archäologischen Befunde in den Bereich einer früh- und mittelneolithische Siedlung“, so Schmitt. Das bedeutet: An der Enz in der heutigen Gemarkung Vaihingen haben schon in der Jungsteinzeit vor 7000 Jahren Menschen gelebt, vermutlich in so genannten Langhäusern. Aus dieser Zeit habe man noch keine Gräber gefunden. „Wir haben allerdings einige Knochen von Tieren wie Schafen und Ziegen gefunden“, sagt der Grabungsleiter Manuel Birker von Archaeo Connect. Die Funddichte sei mit bisher rund 400 Funden hoch. Auch einige Keramikscherben aus der Zeit der Linearbandkeramik konnten geborgen werden. „Sie weisen eine besondere Art der Verzierungen auf, die durch Einritzen oder Eindrücken von Mustern in den noch ungebrannten Ton erzeugt wurde“, so Birker. Durch die Dokumentation der Fundstücke ergebe sich nach und nach ein Bild der Siedlung. „Es sieht aus als hätten ein paar Dutzend Personen in kleineren Familiengruppen hier gelebt.“
Ausgrabungen mit Großbagger
Das Team dreht jeden Zentimeter des zukünftigen Gewerbegebiets auf links. „Wir haben den Boden in mehrere etwa 15 Meter breite Streifen eingeteilt und geöffnet“, erklärt Birker. Das abgebaggerte Erdreich ist daneben gelagert und wird nach den Rettungsarbeiten wieder aufgeschüttet. Anschließend werden die Flächen geöffnet, die jetzt als Zwischenlager dienen. „Wer denkt wir arbeiten mit kleinen Spachteln, wie man es aus dem Fernseher kennt, liegt falsch.“ Der Oberboden wird zunächst mit Großbaggern, später mit Minibaggern und Gartengeräten bearbeitet. Anschließend begeben sich die Archäologen im Unterboden auf Spurensuche. „Die meisten Funde befinden sich nur etwa 30 bis 40 Zentimeter unter dem Boden, knapp unter dem Pflug der Landwirte“, erklärt Birker. Dennoch seien die Skelette und die Axt unversehrt.
Fundstücke werden dokumentiert und archiviert
„Zum Ende unserer Arbeiten wird das Gebiet archäologiefrei übergeben.“ Das bedeutet, dass das Erdreich fei von Stücken aus der Jungsteinzeit sein wird. Die Fundstücke werden alle fotografiert, dokumentiert und zum Schluss in die archäologische Schatzkammer des Landes, das Fundarchiv in Rastatt, gebracht. Dort stehen sie für weitere Forschungen zur Verfügung.
Bislang konnten alle Funde im Zeitplan geborgen und abtransportiert werden. Bis voraussichtlich Ende Februar wird gebaggert, gegraben und gepinselt. Die Stadt erwartet keine Zeitverzögerung bei der Erschließung des Gewerbegebiets.
- Einige der Fundstücke stammen aus der Jungsteinzeit, etwa 5000 v. Chr., und lassen sich in der Zeit der Linearbandkeramiker einordnen.
- Sie waren die ersten Ackerbauern und Viehzüchter im Gebiet des heutigen Baden-Württembergs, die sich in permanenten Siedlungen niedergelassen haben.
- Die Skelette und die Axt stammen vermutlich aus dem Endneolithikum, dem Ende der Jungsteinzeit, das etwa 2800 bis 2500 vor Christus einzuordnen ist.
Weitere Funde
Bereits bei der Erschließung des perfekten Standorts in Ensingen waren mehr als 80 Skelette und annähernd 100 Hausgrundrisse aus der Jungsteinzeit entdeckt worden. Vaihingen ist laut schriftlicher Erwähnung zwar erst 1250 Jahre alt. In Wahrheit aber siedelten seit 7000 Jahren Menschen an der Enz, die zu jener Zeit eher ein Bachlauf gewesen sein mag.