Die Behörden wollen einige Stoffe im Mineralwasser verbieten – im Trinkwasser aus der Leitung werden sie aber toleriert. Denn sie gelten als nicht gesundheitsschädlich.

Nennt man sie Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, dann klingen sie tolerierbar. Nennt man sie Pestizidrückstände, dann klingeln bei den meisten Verbrauchern die Alarmglocken. In der Tat ändert sich die Einschätzung der so genannten nicht-relevanten Metaboliten (siehe „Spezielle Teilchen“) auch mit dem Lebensmittel, in dem sie vorkommen: Im Sprudel sollen sie verboten werden, im Trinkwasser sind sie im Kreis Ludwigsburg dagegen allgegenwärtig.

 

Aus Mineralwasser, das die Bezeichnung „ursprünglich rein“ für sich beansprucht, würde das baden-württembergische Verbraucherschutzministerium die relativ neu erforschten Stoffe am liebsten ganz verbannen. Fünf Brunnen im Land, in denen solche Metaboliten gefunden wurden, droht deshalb zurzeit die Schließung. Die Stoffe seien zwar gesundheitlich unbedenklich, so das Ministerium. Doch sie seien als Spuren menschlichen Wirtschaftens zu werten und widersprächen somit dem Anspruch der ursprünglichen Reinheit. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sieht das anders und hat den Mineralbrunnen per Urteil eine Galgenfrist verschafft – bis der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim darüber befindet.

Kreisweit fast überall im Leitungswasser

Derweil kommen besagte Stoffe im Leitungswasser des Kreises Ludwigsburg praktisch überall vor – und zwar zum Teil in höherer Konzentration, als bei den Mineralwasserbrunnen. Einer dieser Metaboliten (Dimethylsulfamid) verwandelt sich bei der grundsätzlich zulässigen Behandlung des Wassers mit Ozon in den als Krebs erregend geltenden Stoff Nitrosamin. Der beim Trinkwasser angewandte Orientierungswert für Metaboliten ist zudem weitaus großzügiger, als alle beim Mineralwasser diskutierten Grenzwerte.

In praktisch allen Trinkwasserversorgungen im Kreis Ludwigsburg gebe es ein bestimmtes Vorkommen der besagten Metaboliten, sagt Thomas Schönauer, der als Kreis-Gesundheitsdezernent für die Überwachung des Trinkwassers zuständig ist. Allerdings liege die Konzentration nirgendwo höher, als 1,0 Mykrogramm pro Liter, der Orientierungswert. „Andernfalls würden wir Schwierigkeiten machen.“

Institut für Risikobewertung: „Gesundheitlich unbedenklich“

In einem einzigen der 57 Brunnen habe sich unlängst eine höhere Konzentration gefunden, sagt Schönauer, ohne zu verraten, um welchen es sich handelt. Doch inzwischen werde das Leitungswasser mit genügend anderen Quellen, aus der Landeswasserversorgung oder mit Bodenseewasser, vermischt, um die Konzentration niedrig zu halten. Es gebe nur zwei Quellen deren Wasser unverdünnt in Haushalte gelange. Dem Brunnen mit erhöhter Metaboliten-Konzentration sei es vom Kreis-Gesundheitsamt zudem ausdrücklich untersagt, sein Wasser mit Ozon zu behandeln, sagt Schönauer.

Generell sei es ein Ding der Unmöglichkeit, die Stoffe gänzlich aus dem Leitungswasser zu verbannen. Dimethylsulfamid sei ein Umbauprodukt eines im Weinbau bis vor kurzem noch üblichen Fungizides. Inzwischen sei das Pilzbekämpfungsmittel zwei nicht mehr zugelassen, die Rückstände fänden sich aber noch vielerorts. „Es kommt überall dort vor, wo Weinbau betrieben wird.“ Auch wenn die Stoffe von der Überwachungsbehörde nicht erwünscht sind, so scheinen sie doch nicht gefährlich zu sein. Das Institut für Risikobewertung von Lebensmitteln in Berlin stuft sie jedenfalls als gesundheitlich unbedenklich ein.

Spezielle Teilchen

Abbauprodukt
Die beiden von den Aufsichtsbehörden diskutierten Stoffe, die in fünf Mineralwasserquellen im Land gefunden wurden, tragen sperrige Namen: Es geht um Desphenyl-Chloridazon und N-Dimethylsulfamid. Ersteres ist ein Abbauprodukt des Unkrautvernichters Chloridazon, letzteres entsteht durch den Abbau des Pilzschutzmittels Tolyfluamid.

Allgegenwärtig
Die Stoffe sind als nicht-relevante Metaboliten (Umbauprodukte) eingestuft, weil die toxischen Bestandteile des ursprünglichen Stoffs vollständig abgebaut sind. Sie gelten als chemisch stabil und extrem wasserlöslich und deshalb als ubiquitär – sie sind also praktisch allgegenwärtig.