Die Kreisbaugesellschaft will in Waiblingen unweit des Postareals ein Verwaltungsgebäude für das Landratsamt errichten. Die Nachbarschaft ist davon wenig erbaut: Sie hält das Gebäude für überdimensioniert und kritisiert fehlende Stellplätze.

Waiblingen - Zu hoch, zu massiv, zu wenig Stellplätze für Fahrzeuge – so beurteilen Anwohner in Waiblingen ein geplantes Bauprojekt der Kreisbaugruppe. Diese will auf einem schlauchartigen Gelände, das die Emil-Münz-Straße und die hinter dem Postgelände verlaufende Rötestraße verbindet, ein Verwaltungsgebäude für die unter Raumnot leidende Kreisbehörde errichten. Sie wird das Gebäude anmieten, das künftig unter anderem das Gesundheitsamt beherbergen soll. Rund 160 Büroarbeitsplätze sollen in dem Neubau eingerichtet werden, Fahrzeugstellplätze sind hingegen nur etwa 46 vorgesehen.

 

„Hier findet eine ziemlich starke Nachverdichtung statt“, sagt Martin Vollmer über den geplanten Neubau im Mischgebiet, das teils mit zweigeschossigen Wohngebäuden mit Garten bebaut ist, auf dem aber auch gewerbliche Bauten wie das Bosch-Kunststoffwerk angesiedelt sind. Der Reutlinger Rechtsanwalt, der eine Anwohnerfamilie mit gleichem Nachnamen vertritt, ist der Ansicht, das Verwaltungsgebäude falle deutlich zu hoch und zu massiv aus – und sei nicht genehmigungsfähig.

Anwohner wünschen sich Bau eine Nummer kleiner

„Das, was da geplant ist, wird über die Festsetzungen des Bebauungsplans hinausgehen. Der Bauherr wird etliche Befreiungen und Ausnahmen benötigen“, ist Martin Vollmers Einschätzung. Zudem rückt der Neubau seiner Meinung nach zu dicht an das Nachbargrundstück in der Emil-Münz-Straße Nummer 10, dessen Besitzer der Rechtsanwalt vertritt.

„Es war klar, dass das Gelände irgendwann bebaut wird“, finden Alfred und Anneliese Vollmer, an deren Grundstück in der Emil-Münz-Straße der Verwaltungsbau künftig links anschließen soll. Allerdings würden sich die Vollmers wie zahlreiche weitere Anwohner wünschen, dass der Neubau eine Nummer kleiner ausfällt.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Schlosserei, welche die Familie bereits seit den 1930er-Jahren auf dem Grundstück betreibt. „Die Vollmers befürchten, dass es zu Konflikten kommen kann, wenn ihre Mitarbeiter dort tätig sind und beispielsweise sägen“, erläutert deren Rechtsanwalt Martin Vollmer. Auch er hat Bedenken, dass dem Handwerksbetrieb möglicherweise Betriebseinschränkungen oder teure Lärmschutzmaßnahmen drohen, und zwar „in einem Umfang, der unseren Mandanten nicht zuzumuten ist“, denn: „da gilt nicht das Recht des zuerst Dagewesenen“.

Schon jetzt herrscht Parkplatznot

Etliche Anwohner sehen obendrein ein Verkehrschaos in ihrem Wohngebiet voraus. Schon jetzt seien Parkplätze in den Straßen rundum Mangelware, klagten Bürger bei einem nun von der Stadt veranstalteten Informationsabend: Das Gebiet nutzten Besucher des nahe gelegenen Arbeitsamts, des Staufer-Schulzentrums sowie Mitarbeiter der Kreisbaugruppe und der Kreissparkasse, um ihre Autos abzustellen.

Die vorgesehenen 46 Stellplätze seien für das Gebäude ausreichend, sagt hingegen Dominik Merkes vom Fachbereich Bauen und Umwelt der Stadt Waiblingen. Denn bei einer guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr könne man die Zahl der erforderlichen Parkplätze – man rechne einen Platz für 30 bis 40 Quadratmeter Fläche – um bis zu 70 Prozent reduzieren.

Steffen Krahn, der Geschäftsführer der Kreisbaugesellschaft, führte zudem das neue Mobilitätskonzept der Kreisbehörde an, die in Zukunft ihren per öffentlichem Nahverkehr anreisenden Mitarbeitern 75 Prozent der Fahrtkosten erstatten und von der privaten Pkw-Nutzung weggekommen will. Das sei zwar ein löblicher Versuch, merkte eine Anwohnerin zum Mobilitätskonzept an, „aber die Faulheit der Menschen widerspricht Ihren ökologischen Grundsätzen.“ Umso mehr, als es derzeit keine Busverbindung zum Bahnhof gebe, der knapp 20 Minuten Fußweg entfernt liege. Ein weiteres Geschoss für Parkplätze komme im Neubau nicht in Frage, unterstrich jedoch Steffen Krahn: „Das ist zu teuer und nicht wirtschaftlich.“ Was den von den Anwohnern gefürchteten Baustellenverkehr angehe, so hoffe man auf die Firma Bosch und die Erlaubnis, deren Werkstraße mitnutzen zu können.

Bauamt: Gebäude ist genehmigungsfähig

„Das Gebäude ist zulässig“, entgegnete Dominik Merkes Anwohnern, die argumentierten, das Gebäude sei zu groß und zu hoch ausgefallen. Die vorgeschriebene Grundflächenzahl werde lediglich um 0,5 Prozent überschritten, bei der Geschossflächenzahl liege das Bauvorhaben um elf Prozent darüber. In solchen Fällen gebe es die Möglichkeit einer Befreiung, die dann vertretbar sei, wenn der städtebauliche Charakter des Gebiets trotzdem erhalten bleibe. „Das ist hier so“, sagte Merkes, der betonte: „Es gibt viele private Bauvorhaben, die mehr Befreiung bekommen als dieses hier.“ Auch der Baubürgermeister Dieter Schienmann sagte: „Formal wird den Vorschriften entsprochen. Und wenn ein Bauantrag den Vorgaben entspricht, hat der Antragsteller ein Recht darauf, eine Baugenehmigung zu bekommen.“

Gegen diese Genehmigung könne jeder Widerspruch einlegen, erläuterte Dominik Merkes – der Rechtsweg führe dann unter Umständen letzten Endes bis vor das Verwaltungsgericht. Allerdings achte man seitens der Verwaltung stark darauf, dass Genehmigungen rechtssicher seien. „Wir machen keine Zugeständnisse, die wir für rechtlich unsicher halten.“

Der Rechtsanwalt Martin Vollmer hat dennoch bereits im Namen seiner Mandanten bei der Stadt Widerspruch gegen den Neubau eingelegt. Seine Erwartung: „Ich hoffe, dass Verbesserungen kommen.“

Die Sanierungs- und Neubaupläne des Kreises in Waiblingen

Immobilienkonzept:
Seit gut zweieinhalb Jahren bastelt der Landrat Richard Sigel an einem Gesamtkonzept für die kreiseigenen Immobilien. Dieses sieht vor, die Verwaltung in Waiblingen von bisher elf auf zwei Standorte zu konzentrieren. Zum einen sollen die bestehenden Verwaltungsgebäude am Alten Postplatz saniert und nebenan auf dem Parkdeck ein neues Gebäude errichtet werden. Zudem soll in einem Neubau an der Rötestraße vornehmlich das Gesundheitsamt Platz finden. Die Standorte, an denen man sich eingemietet hat, sollen aufgegeben werden. Alle Maßnahmen, die bestenfalls 2025 abgeschlossen werden könnten, dürften rund 100 Millionen Euro kosten.

Beschlüsse:
Der Kreistag hat die Verwaltung im Sommer ermächtigt, die Pläne voranzutreiben. Gefasst ist lediglich ein Grundsatzbeschluss, wie mit den Immobilien verfahren werden soll. Für den Alten Postplatz wird ein Architektenwettbewerb ausgelobt.

Abbruch:
An der Rötestraße wird im Zuge der Baumaßnahme bald ein größerer Gebäudekomplex, einst Sitz der Bilderrahmenfabrik Ellwanger, abgerissen. In der Emil-Münz-Straße soll ein für das Quartier typisches, derzeit bewohntes zweigeschossiges Wohnhaus, weichen.