Edgar Wolff startet sein großes Kreisbereisungsprogramm in der Kreisstadt Göppingen. Dort erlebt er eine recht authentische Gemeinderatssitzung.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Eines muss man dem Göppinger Gemeinderat zugute halten: selbst wenn er hohen Besuch empfängt, verstellt er sich nicht. So konnte der Landrat Edgar Wolff zum Auftakt seines Kreisbereisungsprogramms, das ihn in den kommenden Monaten und Jahren durch sämtliche 38 Städte und Gemeinden des Landkreises führen soll, eine recht authentische Sitzung des Gremiums erleben.

 

Welchen Eindruck er dabei gewann, ist unbekannt, allerdings darf man getrost annehmen, dass er die Sitzung ähnlich erlebte, wie der Bartenbacher Bezirksbeirat Manfred Müller. „Jedes Mal, wenn ich hier bin“, stöhnte der SPD-Mann, „habe ich den Eindruck, dass hier nicht erwachsene Menschen beieinandersitzen, sondern ein Kindergarten.“

Im Gemeinderat wird wie immer geschwätzt

Wobei er den Kleinen dabei vielleicht Unrecht tut: Wieder war während der Sitzung hemmungslos geschwätzt worden. Der Oberbürgermeister Guido Till, der als Vorsitzender für Ruhe sorgen könnte, hat dies offenbar längst aufgegeben. Abgesehen davon war es eine ungewohnt harmonische Sitzung. Die grüne Stadträtin Eva Epple dankte dem Landrat für sein Engagement für eine stärkere bürgerschaftliche Beteiligung. Der Linken-Stadtrat Christian Stähle strich heraus, dass Wolff in seinem Vortrag den Kreis nicht als Paradies dargestellt, sondern ungeschminkt die Probleme benannt habe. „Es ist gut, wenn Stadt und Kreis miteinander sprechen und nicht übereinander“, sagte Wolfram Feifel (Freie Wähler-VuB).

Zuvor hatte Wolff auf die vielen Berührungspunkte zwischen dem Kreis und seiner Kreisstadt hingewiesen, in der nicht nur das Kreishaus steht, sondern auch ein Berufsschulzentrum, in das der Kreis in den vergangenen Jahren 20 Millionen Euro investiert habe, und, als größter Arbeitgeber, die Klinik am Eichert, für deren Sanierung künftig bis zu 200 Millionen Euro bereit gestellt werden müssten.

„Der Kreis hat Strukturschwächen“

Auch die Diskussion über die Kreisumlage, griff Wolff auf. Der Satz, den die Kommunen dieses Jahr an den Kreis überweisen müssten, sei der dritthöchste im Land, räumte Wolff ein. Dies liege jedoch nicht an einer Verschwendungssucht der Kreisverwaltung, sondern an den Strukturschwächen des Kreises, der allein 128 Millionen Euro und damit zwei Drittel seines Etats für den Sozialbereich aufbringen müsse. 19 000 Menschen im Kreis bezögen gegenwärtig Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe.

Der Kreis habe nun ein Sozialcontrolling eingeführt. Jedoch seien Kürzungen im Sozialbereich kaum möglich. „97 Prozent unserer Ausgaben sind gesetzlich vorgeschrieben“, sagte Wolff. Und bei den wenigen Freiwilligkeitsleistungen handele es sich um wichtige Dinge wie Zuschüsse zum Tagesmütterverein, zur Schulsozialarbeit, für die Jugendhäuser, den Kreisjugendring oder für Beratungsstellen.

„Nur ein Mindestlohn kann helfen“

„Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn“, schloss daraus der SPD-Stadtrat und frühere DGB-Kreischef Klaus Wiesenborn. Nur so könne die hohe Zahl an Hartz-IV-Aufstockern gesenkt werden. Es sei dem Landrat gelungen, im Gemeinderat mehr Verständnis für die Zwänge der Kreispolitik zu erzeugen, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Felix Gerber. Der OB wünschte Wolff am Ende weiter „Kraft und Ausdauer“. „Über die Kreisumlage sprechen wir dann unter vier Augen.“ Dass er erst jüngst in dieser Sache einen offenen Brief verschickt hatte, verschwieg er.