Die Ludwigsburger Kreissparkasse ist die drittgrößte in Deutschland – doch die Niedrigzinsen und der Strukturwandel machen dem Geldhaus zu schaffen. Eine Analyse.

Ludwigsburg - Als die Kreissparkasse Ludwigsburg im Jahr 1852 gegründet wurde, war die Welt noch übersichtlich. Der Gemeinderat Louis Bührer wurde zum „Oberamtsspar-Kassierer“ eingesetzt. Barbara Kuhnle aus Markgröningen war die erste Kundin, die zehn Gulden auf ein Girokonto einzahlte. Dafür betrat sie den Hauptsitz der Sparkasse, sah sich den erhöht und hinter Gittern sitzenden Bankangestellten gegenüber, die ihr Zugang gewährten. Dies ist in den Büchern der Kreissparkasse akribisch so festgehalten.

 

Gut 160 Jahre später wirkt dieses Szene befremdlich. Heute ist die Zentrale der Ludwigsburger Kreissparkasse am Schillerplatz ein lichtdurchfluteter Glaspalast, wovor ein rotes Riesen-Sparschwein die Kunden freundlich grüßt. 217 000 Bürger haben ein Privatkonto bei dem regionalen Kreditinstitut, bei dem sich der Kunde inzwischen online ins Konto einwählt und per Chat oder demnächst per Video beraten lässt. Die Ludwigsburger waren bundesweit immer technisch vorne dabei – als 1964 auf Computer umgestellt und 1990 EC-Cash eingeführt wurde.

Und doch ist das grundlegende Geschäftsmodell im Prinzip heute das gleiche wie noch im Jahr 1852: Die Bank verzinst die Einlagen der Kunden, damals noch mit drei bis vier Prozent, und verleiht das Geld für sechs bis sieben Prozent weiter. „Wir handeln mit Geld“, sagt der aktuelle Vorstandschef Heinz-Werner Schulte. Der 56-Jährige sieht nun gar nicht mehr aus wie ein Oberamtsspar-Kassierer, eher wie ein honoriger Manager eines mittelständischen Unternehmens. Über Zinssätze bis zu sechs Prozent würde er heute vermutlich Jubelgesänge anstimmen. Tatsächlich bekommt der Kunde heute maximal 0,35 Prozent Zinsen, der Sollzins liegt bei 7,5 Prozent für den Dispokredit. „Das Geschäftsmodell funktioniert immer noch“, sagt Schulte, der seit 2001 die Ludwigsburger Einrichtung leitet. Im bundesweiten Wettbewerb ist sie übrigens die drittgrößte, ohne die Stadtsparkassen wie München oder Hamburg gerechnet. Die Margen sind allerdings kleiner geworden.

Nicht nur der Zinssatz ist das Problem

Doch das liegt nicht nur am niedrigen Zinssatz. Es gibt viele weitere Herausforderungen, die man als Strukturwandel umschreiben könnte: Immer mehr Kunden machen von zu Hause oder per Smartphone aus Online-Banking – dadurch wird es immer kostspieliger, die Filialen in den 39 Kreiskommunen zu unterhalten. Die Präsenz vor Ort ist das Kapital der Kreissparkasse, mit dem Bankberater, der über Generationen hinweg den Kunden verbunden ist. Vom Kindersparkonto bis zur Lebensversicherung. Dies unterscheidet die KSK von Commerz- oder Postbank, die dagegen mit kostenlosen Girokonten winken.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Schulte und sein Vorstand wandeln. Wenn in manchen Filialen stundenlang kein Kunde erscheint, sinkt die Rentabilität bei gleichen Kosten. In jüngster Vergangenheit wurden zwei bis drei Filialen im Kreis geschlossen. Aktuell steht die im Marbacher Ortsteil Rielingshausen auf der Streichliste. Häufig ist die Bankfiliale die letzte Infrastruktur im Ort. Ihre Schließung ruft Proteste der lokalen Politiker hervor und schadet dem Image. Daher gilt für den Vorstandschef eine klare Richtlinie: In allen 39 Kreiskommunen will man präsent bleiben. Aber nicht in jedem Teilort.

Vom Knax-Heft bis zur Lebensversicherung

Noch gelingt es der Kreissparkasse zu wachsen. Schon die Kinder werden angeworben, vom Knax-Heft bis zum Sparkonto, das zum 18. Geburtstag verfügbar ist. Der erste Bruch erfolgt nach dem Studium, wenn das Girokonto nicht mehr kostenlos ist. Oder bei der Hochzeit, wenn das junge Ehepaar eines der beiden Konten aufgibt. Hier muss die lokale Bank mit Kundennähe überzeugen. „Wir kommen wieder ins Spiel bei der Baufinanzierung oder der Lebensversicherung“, sagt Heinz-Werner Schulte.

Trotz aller Umwälzungen schafft es die Kreissparkasse nach eigenen Angaben, zu 50 bis 60 Prozent aller Bürger im Verbreitungsgebiet eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. „Reichweite“ nennt das der Bankvorstand. Die beträgt aber beim wachsenden Markt Immobilienfinanzierung oder Versicherungen nur noch 20 bis 30 Prozent. „Hier müssen wir das Potenzial nutzen“, sagt der Bankchef. Das bedarf aber eines Mentalitätswandels – weil die Kunden nicht mehr wie anno 1852 als Bittsteller zum Schalter kommen, sondern selbstbewusste Konsumenten sind, die Angebote vergleichen und umworben sein wollen.

Vier Aufsichtsbehörden kontrollieren die Sparkasse

Hinzu kommt ein weiteres Problem für die Kreissparkasse: die Bankenregulierung. „Dass für die Deutsche Bank mit hohen Anteilen Investmentbanking die gleiche Steuerung und Aufsicht notwendig sein soll wie für eine regionale Bank oder eine Genossenschaft, kann ich nicht verstehen“, sagt Schulte, der aus Aachen stammt und früher für den Deutschen Sparkassenverband in Bonn und zehn Jahre für die Sparkasse Pforzheim-Calw gearbeitet hat.

Schulte ist also ein echtes Gewächs der weltweit einzigartigen, kleinteiligen deutschen Bankstruktur. „Es gibt nicht nur drei, vier große Tanker, die Öl geladen haben“, beschreibt der 56-Jährige den Unterschied zu anderen Ländern, „sondern auch kleine Schiffe mit Getreide oder Bohnen.“ Die kleinen Schiffe hätten den großen Sturm der Bankenkrise 2008/09 daher gut überstanden.

Doch nun überwachen die Bundesbank, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Europäische Zentralbank und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde das Geschäftsgebaren der KSK, die mit einer Bilanzsumme von 9,9 Milliarden Euro überhaupt kein Investmentbanking betreibt.

Das regionale Geldhaus wird nun mit mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnungen über Zinsentwicklungen und einer Mentalität konfrontiert, die keine mittelständische Bank kennt. Das überfordert vor allem die noch kleineren Genossenschaftsbanken – die Volksbank Rems-eck schließt fast sämtliche Filialen, die VR-Bank Neckar-Enz fusioniert mit der Ingersheimer Bank, um die Regularien erfüllen zu können. Die Kreissparkasse schafft das irgendwie, aber mit hohem Aufwand, der viel Personal bindet – und die Gewinnspanne schrumpfen lässt.

IBis 2020 sollen 1,5 Milliarden angespart werden

Da auch Heinz-Werner Schulte nicht damit rechnet, dass die Zinsen bald steigen und die Anforderungen reduziert werden, baut er für die Zukunft vor. Bis zum Jahr 2020 sollen die Gewinne stabil bleiben, aktuell sind 100 Millionen Euro vor Steuern erwirtschaftet worden. Bis in vier Jahren will die Kreissparkasse 1,5 Milliarden Euro Eigenkapital angesammelt haben. Ein dickes Polster für (noch) schwierigere Zeiten.

Deswegen sind Fusionen kein Thema. „Wir haben eine gesunde Größe“, sagt Schulte, die noch Raum lasse für soziales Engagement. Eines ist übrigens, Bürgerkonten für Flüchtlinge einzurichten. Viel verdient wird damit nicht, doch kann die Kreissparkasse damit ihren Anspruch erfüllen, mehr zu sein als ein Geldhändler. Sondern Teil der Gesellschaft, der Stadt und des Landkreises.

So wie am Anfang. Als 1922 die erste Filiale in Kornwestheim eröffnet oder 1970 der erste Geldautomat in Bietigheim aufgestellt wurde, waren das für die Orte große Entwicklungsschritte. Jährlich spendet die Kreissparkasse hohe Summen fürs Ehrenamt und soziale Zwecke. Kreissparkassenchefs sind oft Teil des öffentlichen Lebens. Denn regionale Verwurzelung ist die beste Lebensversicherung – und die letzte. Und das war 1852 letztlich nicht anders.