Der Kreistag in Biberach wird um zwei Sitze vergrößert, obwohl der neue Zensus das nicht mehr erlauben würde. Laupheim dagegen darf nicht große Kreisstadt werden. Hier wie dort wird das Ergebnis der Volkszählung opportunistisch ausgelegt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Biberach - Die baden-württembergischen Gesetzesschreiber können nichts geahnt haben, als sie im Frühjahr die Anweisungen für die im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen neu fassten. In Artikel 8 des Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften, wirksam geworden am 16. April, ist festgehalten, dass die Einwohnerzahlen aller Wahlkreise auf der Grundlage der Volkszählung von 1987 fortzuschreiben sind. Nach dieser Schätzmethode aber wächst die Bevölkerung fast überall weiter.

 

Nur sechs Wochen später, als die Ergebnisse der Zensusfortschreibung von 2011 bekannt wurden, war die Annahme von einer sich vergrößernden Bürgerschaft schon überholt. Hektische Betriebsamkeit griff um sich. Manchen kommunalen Kämmerer beschlich die begründete Angst, die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich würden künftig schrumpfen – pro verlorenem Einwohner steht ein Verlust von 500 bis 1000 Euro pro Jahr auf dem Spiel.

Rasch wurde, unter Beteiligung der Kommunalverbände, eine Neufassung des Finanzausgleichsgesetzes ausgehandelt, mit der die Folgen des Zensusschocks gemildert werden. Danach wird bei der Berechnung des Finanzausgleichs kommendes Jahr nur zur Hälfte die Fortschreibung des Zensus von 2011 angewandt, zur anderen Hälfte gilt noch die Zahlengrundlage von 1987. Erst von 2016 an werden die aktuellen Berechnungen voll wirksam, ungeachtet dessen, dass noch verschiedene Klagen gegen die Stichprobenmethode anhängig sind, die den Bevölkerungsschwund eingeleitet hat.

Gewählt wird vermutlich am 25. Mai 2014

Wo es scheinbar nicht ums Geld geht, nämlich bei der Besetzung der Kommunalparlamente, ist indessen keinerlei Elan spürbar. Es soll dabei bleiben, dass die anstehenden Kommunalwahlen, zu denen es voraussichtlich am 25. Mai 2014 kommt, auf Grundlage der veralteten Zensuszahlen abgehalten werden.

Im oberschwäbischen Landkreis Biberach zum Beispiel hat das eine grotesk wirkende Folge. Dort beschloss am 10. Juli der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistags die Ausweitung des Gremiums von 50 auf 52 Sitze. Begründung: Nach der Fortschreibung des Zensus von 1987 wächst der Landkreis erstmals auf mehr als 190 000 Einwohner. Dass der Kreis tatsächlich geschrumpft ist, irritiert offenbar niemanden. Man habe sich bei der Entscheidung an das baden-württembergische Wahlgesetz zu halten gehabt, sagt ein Sprecher der Kreisverwaltung.

Laupheim darf nicht Große Kreisstadt werden

Eine differenzierte Handhabung des Zensusergebnisses wie beim Finanzausgleich gibt es also für die anstehende Wahl der Kommunalparlamente nicht. Den ungleichen Umgang mit den alten und neuen Bevölkerungszahlen bekommt die Stadt Laupheim im Kreis Biberach besonders eindrücklich zu spüren. Die wirtschaftsstarke Kommune hatte im September 2012 beim Innenministerium einen Antrag auf die formale Erhebung zur Großen Kreisstadt gestellt, dies in der Annahme, dass die Einwohnerzahl deutlich über 20 000 liege. Die Zahlen vom Mai machen einen Strich durch diese Rechnung. In der vergangenen Woche hat der Laupheimer Bürgermeister Rainer Kapellen vom Innenministerium mitgeteilt bekommen, dass der Antrag für zunächst zwei Jahre auf Eis gelegt werde.

Die Enttäuschung in der Stadt ist allenthalben groß. Laupheim darf sich aber mit einem anderen Rechenerfolg im Zusammenhang mit der nächsten Kommunalwahl trösten: Für den Landkreis Biberach wächst die Stadt – wie beschrieben - trotzdem weiter, und deshalb bekommt der Wahlkreis Laupheim, neben dem Wahlkreis Illertal, bald einen zusätzlichen Regelsitz im Kreistag.

Der Landkreis zeigt sich überrascht

Ein Sprecher des Innenministeriums verteidigt den ungleichen Umgang mit den Zensuszahlen. Die Fassung des Kommunalwahlgesetzes mit Bezug auf die Volkszählung von 1987 sei „gezielt“ so formuliert worden, weil man davon ausgegangen sei, dass die neuen Zensuszahlen so schnell keine Rechtskraft erlangen würden. Was den Antrag der Stadt Laupheim anbelange, so sei dieser zunächst nicht bewilligt worden, weil die Steigerung der Einwohnerzahl auf mehr als 20 000 nicht solide genug erschienen sei. „Grundsätzlich zählt hier nicht nur ein Jahr, sondern man will das über mehrere Jahre sehen“, sagt der Sprecher. Vergleichsfälle zum Kreis Biberach kenne man im Übrigen landesweit nicht.

Kein Anlass für Korrektur der Wahlvorschriften

Der Landkreistag Baden-Württemberg zeigte sich vom Fall Biberach völlig überrascht. Dass der Landkreis bei schwindender Einwohnerzahl die Zahl seiner Mandatsträger erhöhen werde, sei „vielleicht etwas kurios“, räumt ein Sprecher ein. Der Verband habe sich mit solchen möglichen Folgen nie beschäftigt und sich in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem auf die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich konzentriert. Einen Anlass, sich für eine Korrektur der Wahlvorschriften für 2014 einzusetzen, sieht man nicht. „Das muss der Landesgesetzgeber regeln“, heißt es.

Auch bei der Biberacher Kreisverwaltung hält man es für angeraten, den Ball flach zu halten. Nach Ablauf der kommenden Wahlperiode im Jahr 2019, heißt es, lasse sich die Sitzzahl im Kreistag ja wieder nach unten korrigieren.