Mit teils unorthodoxen Maßnahmen hilft sich der Landkreis aus der Krise und löst ein dringendes Personalproblem.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Böblingen - Der Verwaltungsteil im Sozialausschuss in Böblingen war am Montag rasch vorbei. Der Teilhabeplan für psychisch Erkrankte wird unter anderem fortgeschrieben, und der Sprachvermittlerpool für Flüchtlinge wird für zwei weiter Jahre finanziert. Alles durch. In der Hauptsache ging es aber um die Corona-Krise. Die Tatsache, dass es eine öffentliche Sitzung war, machte deutlich, dass der Landkreis Böblingen langsam aus dem Krisenmodus fährt.

 

Vor allem muss der Krisenstab nicht mehr täglich tagen, und der Landrat Roland Bernhard bedankte sich ausführlich bei seinen Mitarbeitern, die ihm in schwierigen Zeiten den Rücken freigehalten hätten. Der Kreis habe noch einmal 20 Beatmungsgeräte bestellt, um insgesamt 120 Beatmungsplätze stellen zu können, sollte Böblingen tatsächlich auf eine zweite Corona-Welle zusteuern. Ebenso beglückwünschte der Landrat die Entscheidung, rechtzeitig auf die Einrichtung eines Notkrankenhauses in der Sindelfinger Messe verzichtet zu haben, als klar wurde, dass die Infektionszahl langsam zurückging.

Schutzkleidung für 1,9 Millionen

Teuer ist die Krise dem Landkreis ohnehin zu stehen gekommen, denn er musste für 1,9 Millionen Euro Schutzkleidung für seine Mitarbeiter anschaffen. Früh hatte der Kreis auch Altenheime testen lassen und tatsächlich auch zwei unter den 49 Heimen gefunden, in denen es mehr als zehn Infizierte gab. Ohne diese Freiwilligenleistung, da ist sich der Landrat sicher, wären mehr Todesopfer im Kreis zu beklagen gewesen, und es hätten mehr Kranke versorgt werden müssen.

Dies alles schilderte die Kreisverwaltung vor allem auch deswegen öffentlich, um das Land und den Bund daran zu erinnern, die Kosten zu ersetzen. Denn der Katastrophen- und der Bevölkerungsschutz seien nicht die originäre Aufgabe des Kreises, „aber wir mussten zunächst in die Bresche springen“, als klar geworden sei, dass das Bundesgesundheitsministerium nicht rechtzeitig genügend Schutzkleidung würde beschaffen können, sagte Roland Bernhard.

Die Kreisräte lobten das besonnene Vorgehen und den besonderen Einsatz der Verwaltung, doch einen Kritikpunkt sprachen fast alle Fraktionen an. Es habe manchmal bis zu fünf Tage gedauert, bis das Gesundheitsamt die Testergebnisse an die Patienten und die behandelnden Ärzte weitergegeben hätte. Viel sinnvoller wäre es gewesen, die Labore hätten die Testergebnisse nicht erst den Ämtern, sondern gleich den behandelnden Medizinern weitergeleitet. Dann nämlich wären Ärzte und Patienten bereits spätesten am nächsten Tag informiert gewesen.

Große Erfahrung bei Seuchen

In seiner Entgegnung argumentierte der Landrat mit dem vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Verfahren, das die Behörde eben einhalten müsse. Außerdem sei das Gesundheitsamt chronisch unterbesetzt gewesen, vor allem sei die Chefstelle bis vor kurzem vakant gewesen. In dem Punkt hat sich der Landrat auf unorthodoxe Weise beholfen und Wilhelm Hornauer, den Chef des Veterinäramtes, zum kommissarischen Leiter des Gesundheitsamtes gemacht. Um möglichen Einwänden zuvorzukommen sagte der Landrat, auch ein Veterinär verfüge über das nötige Fachwissen, was Seuchen angehe.