Ministerpräsident Kretschmann hatte Mittwochabend eine gute und eine schlechte Nachricht: Baden-Württemberg hat die niedrigsten Corona-Zahlen, aber Lockerung gibt es nur für Grundschüler und Friseure.

Stuttgart - Auf sein übliches „Halten Sie durch“ hat Ministerpräsident Kretschmann Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwochabend bei seiner Videokonferenz zum Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche verzichtet. Aber seine traditionelle Redewendung vom „Bleiben Sie am Ball!“ hat er wieder einmal gebracht, und diesmal auch mit dem Vergleich eines Fußballspiels ergänzt, bei dem unser Land 3:2 gegen das Corona-Virus führt, der Gegner aber drei gefährliche Spieler eingewechselt habe – die Virusmutanten. Das Ergebnis des Matches ist noch offen, aber die Defensive muss jetzt stehen.

 

Gute Nachricht zuerst

Mit einer „guten Nachricht“ hatte Kretschmann seine Rede begonnen. „Unsere Maßnahmen wirken: Wir haben bei uns die Sieben-Tages-Inzidenz von 200 Neuinfektionen jetzt auf einen Wert von deutlich unter 60 gedrückt.“ Die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern sei halbiert worden, die Neuinfektionen und die Todesfälle in den Alten- und Pflegeheimen seien um 40 Prozent zurück gegangen.

Dank an die Bürger und Bürgerinnen

Baden-Württemberg sei vor wenigen Wochen noch ein Land mit hohen Infektionszahlen gewesen, jetzt habe man die niedrigste Inzidenz-Zahl aller Bundesländer. Dass das Land mit seinen nächtlichen Ausgangssperren – es waren die strengsten bundesweit – ein Alleinstellungsmerkmal bei den Maßnahmen hatte, die vielleicht diesen Erfolg bewirkt haben könnten, das erwähnte Kretschmann nicht. Aber dass man die Neuinfektionen drücken konnte, so Kretschmann, das sei den Bürgern und Bürgerinnen zu verdanken: „Das ist Ihr Verdienst. Sie haben sich zurück genommen, Sie sind vorsichtig und diszipliniert. Ich danke für Ihre Geduld und Disziplin.“

Der Lockdown light vom November – der war ein Fehler

Die schlechte Nachricht aber sei, dass es zu früh sei für „weitere Lockerungen“. Man habe im November 2020 den Fehler mit dem „Lockdown light“ gemacht, es wäre besser gewesen, man hätte damals „strikt“ gehandelt. Zwar sehnten sich jetzt alle nach mehr Freiheit, aber es gebe „keinen Spielraum“ für eine Lockerung. Erst wenn die Inzidenz weit unter 50 falle und eine konsequente Nachverfolgung der Infektionskette durch die Gesundheitsämter wieder möglich sei und man Infizierte in die Quarantäne schicken könne, dann könne das erwogen werden. „Es sind vor allem die hoch ansteckenden Virusvarianten, wegen denen wir in unserer Vorsicht nicht nachlassen können.“

Die große Gefahr der Mutanten

Täte das Land dies nicht, dann drohe eine dritte Infektionswelle, die wäre dann „noch gravierender“ als die zweite und brächte noch härtere Maßnahmen mit sich. Man möge nur nach Großbritannien, Irland oder Portugal, wo die Virusmutanten schon wüteten. „Sie sind aber auch schon bei uns.“ Nur wenn die Ausbreitung des Virus verlangsamt werde, wenn man den Abwärtstrend bei den Neuinfektionen fortsetze, könne die Gefahr der Mutanten gebannt werden.

Friseure dürfen am 1. März öffnen

Wie es nun konkret weitergeht, das schilderte Kretschmann auch. So werden auch in Baden-Württemberg die bestehenden Corona-Maßnahmen verlängert bis zum 7. März: also die Kontaktbeschränkungen, die Maskenpflicht im ÖPNV und in Läden, die Ermöglichung von Homeoffice und die Schließung des Einzelhandels und anderer Einrichtungen. Eine Ausnahme bildeten nur die Friseure – sie dürften ab dem 1. März wieder öffnen.

Kitas und Grundschulen öffnen am 22. Februar

Einig seien sich Bund und Länder auch bei Bildung und Betreuung gewesen. „Die Kleinsten leiden am meisten unter dem Distanzunterricht“, sagte Kretschmann, sie bräuchten die Gemeinsamkeit mit anderen Kindern. „Auch sind Eltern zunehmend zwischen Betreuung, Homeschooling und Arbeit zerrieben.“ Deshalb werde das Land die Kitas und die Grundschulen am 22. Februar wieder öffnen, bei den Grundschulen werde dies „schrittweise“ erfolgen, aber nur „wenn die Inzidenzzahlen es zulassen“. Für die weiterführenden Klassen bleibe es vorerst beim Distanzunterricht.

Weitere Schritte der Öffnung sollten erst erfolgen, wenn die Sieben-Tages-Inzidenz unter 35 Neuinfektionen fallen, dann sei als „nächstes“ der Einzelhandel, Museen, Galerien und ähnliche Einrichtungen zu öffnen. Was die Besuchsregeln in den Pflegeheimen anbelange, so sollten die Gesundheitsminister rasch eine Empfehlung abgeben für „abgestimmte Regeln“, denn in vielen Heimen sei bereits die zweite Impfung erfolgt.

Einen klaren Stufenplan wird es nicht geben

Ein herausragendes Thema des Gipfels seien auch die Hilfe für vom Lockdown betroffene Selbstständigen und Unternehmen gewesen, deren Belastung sei „gigantisch“. Gemeinsam mit anderen habe man auf eine rasche Auszahlung der fünf Milliarden von der November- und Dezemberhilfe gedrängt. Vom Mittwoch an könnten auch Anträge auf die Überbrückungshilfe 3 gestellt werden, für sie soll es große Abschlagszahlungen geben. Auch begrüßte Kretschmann die Hilfen für die Kultur in Höhe von einer Milliarde Euro.

Der Ministerpräsident sagte, es sei ihm bewusst, dass viele einen „klaren Fahrplan“ darüber verlangten, was ab wann erlaubt sei und was nicht. Ein solcher Plan aber würde mehr versprechen als er halten könne, so der Grünen-Politiker, denn man habe keinen Einfluss auf das willkürliche, Überraschungen bergende Pandemie-Geschehen. Ein langfristiger Stufenplan werde keine Sicherheit bringen, „denn entweder passt man ihn dauernd an die neue Lage an oder man ignoriert neue Erkenntnisse“.

Seine Ansprache schloss Kretschmann mit dem Hinweis, dass laut Gesundheitsminister Spahn die Knappheit bei den Impfstoffen im März überwunden sei – und mit einem Appell: „Bleiben Sie am Ball! Kämpfen wir weiter mit allen Mitteln gegen die Pandemie!“ Wenn die Infektionszahlen weiter sinken, könnte der nächste Öffnungsschritt erfolgen.