Der Ministerpräsident muss Mehrheiten schmieden, der Bischof hat ein „Amt der Einheit“ – aber manchmal ist es auch umgekehrt. Das wurde beim gemeinsamen Auftritt von Bischof Fürst und Ministerpräsident Kretschmann beim Katholikentag deutlich.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Genaugenommen ist Gebhard Fürst ja gar nicht der Bischof des bekennenden Katholiken Winfried Kretschmann. Sigmaringen-Laiz, wo der Ministerpräsident wohnt, gehört zur Erzdiözese Freiburg. Dennoch traut er dem Stuttgarter Bischof vieles zu – sogar das Amt des Ministerpräsidenten. „Das schafft der aus dem Stand“, sagte Kretschmann, als er beim gemeinsamen Auftritt auf dem Stuttgarter Schillerplatz nach Ratschlägen gefragt wurde, die er Fürst bei einem Rollentausch für einen Tag mit auf dem Weg geben würde.

 

Umgekehrt, so deutete Kretschmann an, würde er sich wohl im Amt des Bischofs ein wenig überfordert fühlen. Fürst sei eingebettet in eine weltweite Kirche mit mehr als eine Milliarde Mitgliedern, sagte Kretschmann. Demgegenüber sei er selbst „letztlich nur ein Provinzhäuptling“ – und manchmal sogar nur „der Buchsbaum des Bundespräsidenten“, wenn der – wie jetzt beim Katholikentag – zu Besuch in den Südwesten komme.

Es geht um die selben Menschen

Als christlicher Politiker auf der einen und politischer Kirchenführer auf der anderen Seite waren Kretschmann und Fürst auserwählt, ihre Rollen zu analysieren. Und tatsächlich entdeckten die beiden Männer Gemeinsamkeiten. Die wichtigste: „Wir kümmern uns um dieselben Menschen“, sagte Kretschmann. Die Kirche wende sich ja nicht nur an Katholiken, sondern wolle für alle wirken, pflichtete Fürst ihm bei.

Und auch dies dürfte für beide Ebenen zutreffen, auch wenn Kretschmann zunächst nur die Politik meinte: „Glaubwürdigkeit ist das knappste Gut, das wir haben und es ist ganz schwer, sie wieder aufzubauen“, sagte der Grünen-Politiker. Es ist gegenwärtig das Kernproblem der durch Missbrauchsskandale gebeutelten katholischen Kirche, auch wenn Fürst sich Mut machte und betonte: „Wo wir kompetent sind und kompetent handeln, werden wir gehört.“

„Politiker werden am Erfolg gemessen“

Längst sind die hohen Austrittszahlen bei den Kirchen auch für den laizistischen Staat ein großes Problem. Davon ist zumindest Kretschmann überzeugt. „Die Kirchen haben einen Mehrwert.“ Dennoch sollten sie nicht in Verzweiflung geraten. Wichtiger als die Zahl ihrer Mitglieder sei ihre Wirkung und wie sehr es ihnen gelänge, wie ein Sauerteig, wie es in der Bibel heiße, die Gesellschaft zu durchsäuern. „Verhängnisvoll wäre es aber, sie fänden es gut, dass sie weniger werden“, sagte Kretschmann.

Und was trennt die beiden Ämter? „Ein Politiker wird am Erfolg gemessen und nicht an seiner guten Gesinnung“, sagte Kretschmann. Er müsse Mehrheiten schmieden, „Wenn ich das nicht schaffe, habe ich etwas falsch gemacht.“ Das heiße für ihn als Christ aber auch: „Wenn ich als Politiker scheitere, bin ich deshalb noch lange nicht als Mensch vor Gott gescheitert.“ Das entlaste.

Angstreaktionen in Rom

Und woran wird ein Bischof gemessen? Der habe ein „Amt der Einheit“, sagte Fürst. Er müsse die unterschiedlichsten Menschen zusammenhalten. Jetzt aber muss auch er Mehrheiten schmieden für die von ihm favorisierte sakrale Weihe für Frauen als Diakoninnen. „Ich habe verhaltene Hoffnung, dass wir eine Mehrheit in der Bischofskonferenz bekommen und diesen Beschluss mit Nachdruck nach Rom bringen“, sagte Fürst. Am Ende dürfte aber auch er an seinem Erfolg gemessen werden, weshalb er schon einmal vorbaute: Man dürfe die Erwartungen nicht überfrachten. „Sonst werden wir in Rom nur Angstreaktionen auslösen.“