Ist Afghanistan so sicher, dass man dahin abgelehnte Asylbewerber zurückschicken kann? Nein - meint die Grüne Jugend und übt damit Druck auf ihren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg aus.

Stuttgart - Der Flüchtlingsrat und die Grüne Jugend fordern die grün-schwarze Landesregierung auf, Abschiebungen nach Afghanistan zumindest auszusetzen. Die Landeschefin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, sagte am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: „Wir halten es für entscheidend, dass niemand nach Afghanistan abgeschoben wird, solange die geforderte Neubewertung der Sicherheitslage durch das Bundesaußenministerium noch nicht erfolgt ist.“ Die Vorsitzende des Flüchtlingsrates, Angelika von Loeper, sagte: „Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben, bedeutet, sie sehenden Auges möglicherweise in den Tod zu schicken.“

 

Flüchtlingsorganisationen erwarten die nächste Abschiebung in das Land am Hindukusch für diesen Mittwoch. Offiziell bestätigt ist der Termin nicht. Bisher soll Baden-Württemberg bereits zehn abgelehnte Asylbewerber in zwei vom Bund geleiteten Sammelabschiebungen nach Afghanistan zurückgeschickt haben. Vor zwei Wochen hatte ein Sprecher des von den Grünen geführten Staatsministeriums erklärt, dass Baden-Württemberg an der Abschiebung nach Afghanistan grundsätzlich festhalten will - das Bundesland sei dazu verpflichtet. Eine freiwillige Ausreise habe aber Vorrang. Schleswig-Holstein hat die zwangsweise Rückführung nach Afghanistan ausgesetzt.

Kretschmann fordert Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten

Die schwarz-rote Bundesregierung argumentiert, es gebe in dem Land auch sichere Regionen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem am Freitag verschickten Brief auf, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten. Kretschmann schrieb den Brief im Namen von Parteifreunden aus zehn der elf Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren. SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch warf Kretschmann daraufhin Doppelzüngigkeit vor.

Sowohl Schwelling als auch von Loeper halten Afghanistan nicht für sicher. „Wir haben große Zweifel daran, dass die Sicherheitslage in Afghanistan Abschiebungen dorthin zulässt.“ Die Landesregierung müsse deshalb wie Schleswig-Holstein einen Abschiebestopp nach Afghanistan verhängen. Von Loeper bezeichnete die Sicherheitslage als „absolut prekär“. Sie zeigte sich enttäuscht über die Grünen in der Landesregierung, weil sie bei Abschiebungen nach Afghanistan - gemeinsam mit der CDU als Juniorpartner - weiter mitmachten. „Damit geben die Grünen Positionen auf, die sie über Jahre hinweg in Bezug auf Flüchtlinge und Menschenrechte besetzt haben.“